Charlottenburg und Steglitz-Zehlendorf

Montag, 05.02.2018

Diese drei Bücher sind daran schuld, dass meine Liste mit Berliner Orten, die ich mir irgendwann anschauen möchte, sehr lang geworden ist. Darin finden sich Orte, Berge, Gebäude, Denkmäler, Läden usw., auf die man sonst kaum aufmerksam geworden wäre. Was liegt also näher, den 5-Tage-Urlaub dafür zu nutzen, ein paar Häkchen zu setzen?

Beginnen wir mit dem Fliegeberg. Otto Lilienthal dürfte jedem ein Begriff sein. Er nutzte genau diesen Berg eine Zeit lang als Testgelände. In einer Google-Rezension steht:

„Sein Testgelände wurde 1900 zum Lilienthalpark, und 1932 wurde auf dem Gipfel des Fliegebergs ein Denkmal für Lilienthals Gedächtnis errichtet. An der Enthüllungszeremonie nahmen Gustav Lilienthal und Paul Beylich teil, der einer der wichtigsten Gehilfen Ottos war (beide werden mit kleinen Betonplatten am Fuße des Hügels geehrt). Das Denkmal wurde von dem Architekten Fritz Freymüller entworfen und hat die Form einer Bronzekugel, die von einem kreisförmigen Pavillon umgeben ist, der in der Mitte offen ist und den Globus dem Himmel ausgesetzt lässt.“

Vom Bahnhof Lichterfelde Süd kommend, erreiche ich nach ca. 25 Minuten das Denkmal, nicht zu übersehen und wie ein Ufo anmutend. Ringsum arbeiten mehrere Leute in der Parkanlage und beschneiden die Bäume. Ich bin die einzige „Touristin“ und mache mit frostigen Fingern (es sind minus 7 Grad) erst einmal Fotos mit dem strahlend blauen Himmel als Kulisse. Für Leute, die sich für die Anfänge der Fliegerei interessieren, müsste das eigentlich eine Pilgerstätte sein. Schön gestaltet und auch gepflegt und gut ausgeschildert. Am nahegelegenen Karpfenteich trinke ich ein Schlückchen heißen Tee und genieße die Sonnenstrahlen.

Screenshot (1)

Immer noch auf den Spuren der Lilienthals, ist das nächste Zwischenziel die Marthastraße 5. Dort steht eine der „Burgen“, die Gustav Lilienthal, ein älterer Bruder Ottos erbauen ließ. Sie sind auf jeden Fall aufgrund ihres Baustils ein Hingucker. Es gibt einen sehr schönen Artikel darüber, den ich hier für alle, die mehr wissen wollen, unter dem Bild einfüge:

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Lilienthal-Burgen

Meine Reise führt mich nun nach Lichterfelde West. Zu Fuß, da mir ständig der Bus vor der Nase weg- oder an mir vorbeifährt. Ist aber nicht so schlimm, denn so bemerke ich, dass es sich mit Lichterfelde genauso verhält wie mit Marzahn. Es gibt hier Plattenbauten in Süd, Siedlungsgebiete in Ost und einen alten Ortskern in West. Dort finde ich auch dieses schöne Haus:

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Nun muss ich aber doch ein Stück fahren, sonst schaffe ich mein Programm nicht. Und zwar mit der S-Bahn bis Nikolassee. Von dort aus gehts direkt rein ins Grüne mit Urlaubsfeeling pur. Nur noch über den Kronprozessinnenweg hinweg und schon bin ich im Wald, aus dem ich die nächsten zwei Stunden auch nicht mehr herauskomme. Ich arbeite mich durch den Forst namens Nikolassee durch in Richtung Havel und wandere dann auf dem Havelhöhenweg. Sehr schöner Weg und es geht ständig hoch und runter, wie Rheinsteig in Miniatur. Das Wetter meint es gut mit mir, trotz Minusgrade kann ich auf einer sonnigen Bank eine Pause machen, ohne zu frieren.

Mein Handy lotst mich verlässlich über etliche Wegekreuzungen hinweg in Richtung Friedhof im Forst Grunewald. Alleine hätte ich mich vermutlich öfter mal verlaufen. Mitten im Wald taucht plötzlich ein einsames Forsthaus auf und ich stelle mir vor, dort wohnen zu müssen. Im Dunkeln ist das bestimmt ein bisschen gruselig. Ringsrum kann man eine interessante Ausstellung zum Thema „Wasser“ anschauen. Sehr schön gestaltet. Sie begleitet mich ein ganzes Stück und ab und zu treffe ich tatsächlich andere Menschen.

Man merkt, dass schon später Nachmittag ist. Es wird deutlich kühler und dämmriger. Aber noch habe ich nicht alles gesehen, was ich mir für heute vorgenommen habe. Es fehlt noch der Friedhof. Er ist deswegen so interessant, weil das bis 1927 eine Begräbnisstätte für Selbstmörder war, die nicht auf normalen Friedhöfen beerdigt werden durften. Aus diesem Grund liegt er mitten im Wald. Später wurde er aber auch „normal“ genutzt. Er ist ebenfalls so bekannt und stark von Besuchern frequentiert, weil hier Nico begraben wurde, die ehemalige Sängerin von Velvet Underground. Auf Wikipedia  ist ein informativer Eintrag zu finden für alle, die mehr darüber wissen wollen.

Es ist nun schon nach 16 Uhr und ich bin ja immer noch mitten im riesigen Grunewald. Deswegen sagt mir meine Vernunft, dass ich nun langsam den Heimweg antreten müsste. Nach ca. 2,5 km spuckt mich der Wald aus und ich stehe an der vielbefahrenen Heerstraße. Das volle Kontrastprogramm. Mit Bus und Bahn arbeite ich mich voran, bis ich gegen 18 Uhr wieder zu Hause bin. 16 km zu Fuß, sagt Google Maps. Wenn das stimmt, kann ich zufrieden sein.

Dienstag, 06.02.2018

Screenshot (3)

Man mag ja zu Google, gläsern usw. stehen wie man will, aber es ist einfach unschlagbar praktisch, wenn man automatisch auf der Karte angezeigt bekommt, wo man sich rumgetrieben hat und mit welchem Fortbewegungsmittel. Deshalb weiß ich, dass ich heute 17,5 km gelaufen bin.

Seit Jahren schon habe ich vor, mal vom Funkturm aus die Stadt zu besichtigen. Heute ist es soweit! Die S-Bahn bringt mich bis fast vor den Eingang des Messegeländes. Nur darüber erhält man Zugang zum Turm, der mittendrin steht und großflächig von den Gebäuden der Messe umgeben ist.

 

Ein kleines Foyer beherbergt die Kasse. ich kaufe mir eine Karte für 5 €, muss aber noch ein bisschen warten, weil es ja nur einen Aufzug gibt und gerade Tiefkühlware für das Funkturm-Restaurant geliefert wird. Dann bin ich dran und sause im gläsernen Käfig vorbei an den Streben des Turms in luftige Höhe. Es gibt zwei Ebenen, eine geschützt hinter Glasscheiben und ganz oben eine luftige. Die Aussicht ist beeindruckend, vor allem die Logistik der Straßenführung und die ihr folgenden Fahrzeuge, die wie auf einer Carrera-Bahn in allen Richtungen über- und untereinander unterwegs sind.

Von hier aus kann ich auch gut den Teufelsberg sehen, den ich heute auch noch erklimmen will.

Wieder unten auf festem Boden, schlendere ich die Masurenallee entlang, vorbei am geschichtsträchtigen Haus des Rundfunks in Richtung Theodor-Heuss-Platz, der auch mit einigen Attraktionen aufwarten kann.

Auf berlin.de habe ich Detailinformationen gefunden, die ich so interessant finde, dass ich sie hier auszugsweise zitiere:

„Von 1906 bis 1933 und von 1947 bis 1963, also vor und nach der Zeit des Nationalsozialismus, hieß der Platz Reichskanzlerplatz, von 1933 bis 1945 Adolf-Hitler-Platz. Albert Speer plante hier auf dem damaligen Adolf-Hitler-Platz eine monumentale Kolonnade und ein Heldendenkmal.

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Dazu ist es nicht gekommen. Die Säulen für das Monument wurden in Stuttgart angefertigt und stehen dort noch heute an der Neckartalstraße. Auf dem Reichskanzlerplatz in Berlin wurde die Basisplattform fertiggestellt, auf der man 1952 einen Brunnen errichtete. 1955 stellten die Landsmannschaften der deutschen Heimatvertriebenen das Mahnmal mit der Ewigen Flamme auf dem damaligen Reichskanzlerplatz als Denkmal für die Opfer von Flucht und Vertreibung erhalten auf. Es wurde von Theodor Heuss durch das Entzünden der Flamme eingeweiht. Es handelt sich um einen Kunststeinquader mit einer eisernen Opferschale, in der eine ewige Flamme bis zur Wiedervereinigung brennen sollte. Auf der Platzseite befindet sich eine Tafel mit der Inschrift „Diese Flamme mahnt: Nie wieder Vertreibung“. Am 3. Oktober 1990, dem Tag der deutschen Einheit, wurde die Flamme gelöscht. Drei Monate später, am 10. Dezember 1990, dem Tag der Menschenrechte, wurde sie erneut entzündet und brennt seither im Sinne der an der Straßenseite des Mahnmals angebrachten Worte “Freiheit – Recht – Friede”.

1995 wurde die Brunnenskulptur ‘Blauer Obelisk’ von der Berliner Künstlerin Hella Santarossa installiert. Der Brunnen ist 15m hoch und besteht aus übereinander gestapelten Kuben aus mundgeblasenem blauem Antikglas.“

Nun ist es nicht mehr weit, bis ich links in die Teufelsseestraße einbiege. Ganz unverhofft stehe ich plötzlich in einer ländlichen Idylle zwischen einer beschaulichen Siedlung (Soldauer Viertel) und Natur pur.

Es ist plötzlich so ruhig, dass ich gar nicht glauben kann, eben noch durch die laute Heerstraße marschiert zu sein. Nun beginnt meine Bergtour. Zunächst erklimme ich den Drachenberg, der die Vorhut zum Teufelsberg bildet.

Viele Menschen tummeln sich hier und genießen die Sonne. Auch ich gönne mir eine Pause und mache mich danach auf den Weg hoch zum Teufelsberg. Eine merkwürdig schlichte Beschriftung weist die Richtung zum Eingang, wo ein junger Mann mit Dreadlocks steht und Eintritt kassiert. 8 € normal oder 15 € mit Fotoerlaubnis. Im Hintergrund läuft Chill-Musik.

Der erste Eindruck – entspannt alternativ – vertieft sich, je weiter ich ins Gelände vordringe. Ich bin ehrlich gesagt mit völlig anderen Erwartungen hier her gekommen und dachte, dass ich nur verwahrloste, technische Hinterlassenschaften vorfinden würde. Dass es hier aber von Graffiti- und anderen Kunstwerken nur so wimmelt, ist für mich eine Überraschung. In jeder Ecke lauern lustige Kobolde, Gesichter aus Zweigen geflochten, merkwürdige Anhäufungen von Gegenständen, Baumhäuser, sogar ein Spülbecken inmitten der Botanik. Die weithin sichtbaren Kuppeln sind im Sommer Schauplatz von Partys mit überraschenden Ausblicken. Auf riesigen Ebenen – verlassenen Fabriketagen ähnelnd – finden sich Bars (nicht in Betrieb), Sofas, überdimensionalen Wandbilder und immer wieder Blicke weithin über die Stadt. Ich bin begeistert! Wenn es nur nicht so eisig kalt wäre… Aber im Sommer geht hier bestimmt die Post ab! Diese Vermutung bestätigen mir später meine Söhne. Meine Hände zeigen erste Erfrierungssymptome, weil ich ständig neue Fotomotive entdecke. Da ich mich sehr schwer tue mit einer Auswahl an Bildern, zeige ich sie hier einfach alle:

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Man kann hier auch zum Sonnenuntergang an Fackelwanderungen teilnehmen oder Konzerte besuchen. Auf jeden Fall ein spannender Ort! Ich bin froh, dass ich ihn endlich kennengelernt habe.

Bei meinen Recherchen bin ich wieder auf die unter Hitler geplante Umgestaltung Berlins zu Germania gestoßen. Genau auf diesem Areal war eine riesige Hochschulstadt geplant, die als Eingangstor zu Berlin dienen sollte.

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Die Bauarbeiten begannen 1937 mit der Wehrtechnischen Fakultät und wurden kriegsbedingt schon bald eingestellt. Nach dem Krieg wurden die Fragmente unter Trümmerschutt begraben und der Teufelsberg darüber „angehäufelt“. Dieses Wissen verursacht merkwürdige Befindlichkeiten. In diesem Zusammenhang kann ich besonders die Ausstellung „Mythos Germania“ empfehlen. Dort habe ich mein Wissen auf jeden Fall vertiefen können.

Die Rückfahrt führt mich über den Alexanderplatz, wo ein Rabenschwarm die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich lenkt:

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Mittwoch, 07.02.2018

Heute bin ich nicht in Steglitz-Zehlendorf, sondern in Mitte. Da mich das Märkische Museum auch schon lange nicht mehr zu seinen Besuchern zählen konnte, will ich das endlich mal ändern. Im Hof staune ich über den riesigen Adler auf dem Balkon und erfahre später, dass er früher mal zum Ensemble der Schlossfreiheit gehörte. Ich schaue mir die Ausstellung „Berlin 1937“ an und fahre danach weiter zur Friedrichstraße.

Von dort gehts zu Fuß weiter zum Hauptbahnhof und von da aus am Spandauer Schiffahrtskanal entlang. Diese Verbindung führt bis in die Rehberge! Soweit will ich aber nicht, denn es ist schon wieder Nachmittag. Ich passiere das Futurium, das 2019 eröffnet werden soll und ein spannender Ort zu werden verspricht, das beeindruckende Ensemble des BND, den Invalidenfriedhof, einen ehemaligen Wachturm (diese Strecke gehört zum Mauerweg) und biege danach zum Pankeweg ab.

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Fazit: Man kann auch in Berlin Urlaub machen und viele spannende Dinge entdecken. Es gibt noch viele weitere Ziele auf meiner Liste!