Freitag, 09.05.2025 (Berlin – Luzern)
Die größte Herausforderung der diesjährigen Wanderung könnte sein, dass unser Zug um 6:29 Uhr ab Berlin Hbf. startet. Wie sollen wir das schaffen? Ich stelle mein Handy auf fünf Weckzeiten, darunter eine Uhrzeit mit Nana Mouskouris „Guten Morgen, guten Morgen…“ und eine mit meiner eigenen Stimme, die mich anbrüllt: „Es ist 4:30 Uhr! Raus aus dem Bett!“ Das funktioniert und ich habe sogar noch Zeit, vor dem Losgehen einen Kaffee zu trinken. Mein Koffer ist unglaublich schwer, ich schaue nochmal rein, ob ich auf etwas darin verzichten könnte, aber ich bin der Meinung, dass die fünf Hosen, Shirts, Pullover, Socken, Bücher, Regenjacke, Schuhe, Schuhpflegeset und das irgendwie immer umfangreicher werdende Beauty-Case absolut unverzichtbar sind. Also bleibt alles drin und ich stelle mir beim Verlassen des Hauses schon meine Heimkehr vor – wie ich das Gepäck die sechs Treppen schnaufend hoch hieve. Unterwegs rufe ich Georg an – Kontrolle, ob auch er aus dem Bett gefunden hat. Alles läuft wie geplant, es ist fast langweilig! Sonst gab es immer irgendwelche Katastrophen zum Würzen des Reiseberichtes. Sogar der Zug fährt pünktlich ein und ab. Ich muss noch einen Fahrgast verscheuchen, der es sich gerade auf unseren Plätzen gemütlich machen will, dann richten wir uns für die nächsten sieben Stunden häuslich ein. Der Zugbegleiter macht lustige Durchsagen und ist der Meinung, dass er uns nicht alle Informationen weitergeben muss wie z.B. „Kein Halt in Spandau“, das wäre einfach viel zu langweilig. Eine Schulklasse erinnert er ans Aussteigen und freut sich, dass die Reisenden sich auf das Abenteuer Bahn eingelassen haben. Schnell noch zwei Selfies gemacht (voll das fette Gesicht) und die KI beauftragt, daraus eins zu machen. Das Ergebnis ist noch etwas verbesserungswürdig, aber Google-Gemini hat sich Mühe gegeben:



Nun rollen wir Basel entgegen, das wir vom letzten Jahr schon kennen und wo ich meine Wanderschuhe im Papierkorb des Bahnhofs beerdigt hatte. Jetzt trage ich die neuen an meinen Füßen. Sie können es kaum erwarten, mich durch die Zentralschweiz zu tragen. Von Basel aus gehts weiter nach Luzern, dem Ausgangs- und Endpunkt unserer Rundwanderung.
Mein Notizbuch liegt bereit, denn Gespräche mit Georg haben das Potential, in wenigen Minuten alle Lebensbereiche thematisch abzudecken. Wie im letzten Jahr werde ich am Ende der Wanderung die KI mit den Stichpunkten füttern und ihr die Aufgabe stellen, daraus eine Geschichte zu schreiben.

Wir kommen – wie sollte es auch anders sein – auf die Minute pünktlich in Luzern an. Das erste, was wir sehen, sind viele heruntergekommene Plattenbauten. In meinem Reiseführer steht: „Jeder…würde nirgendwo sonst als hier wohnen wollen.“ Hm, könnte ich momentan noch nicht zustimmen, aber ich kenne keine Stadt, die auf Zugreisende sofort einladend wirkt. Schon während der Fahrt und auch jetzt auf dem Bahnhof und auf dem Weg zum Hotel müssen wir feststellen, dass Platz machen für Entgegenkommende nicht zu den Stärken der Schweizer zu gehören scheint. Wer sich Raum ergattert hat, gibt ihn freiwillig nicht mehr her. Füße einziehen, wenn jemand sonst drübersteigen müsste? Wieso? Auf dem Gehweg aus einer Gruppe in Reihe sich in die zweite Reihe fallen zu lassen, damit ein Entgegenkommender daran vorbeikommt? Ein absurder Gedanke.
12 Minuten brauchen wir zu Fuß zum Hotel „Drei Könige“. Wir werden freundlich empfangen und erhalten unsere Zimmerschlüssel – mein Zimmer liegt im 4. Stock, Georgs befindet sich direkt über meinem. Es ist ein Mittelklassehotel, nichts besonderes, aber völlig ok. Ein Hotelangestellter klopft und überreicht mir einen dicken Umschlag unseres Reiseunternehmens Eurotrek, in dem sich für jeden von uns eine Mappe befindet mit den Billetts für die Seilbahnfahrten, die Tourenbeschreibung nebst Karten und die Lagepläne unserer Hotels sowie die Kofferanhänger für den Gepäcktransport:

Damit sind wir bestens versorgt. Um 17 Uhr machen wir uns auf den Weg zu einer ersten Stadterkundung und haben nach zwei Stunden das Gefühl, alles Wichtige in der Altstadt gesehen zu haben. Sie hat eindeutig Mittelmeer-Flair. Überall wachsen Feigenbäume und andere mediterrane Pflanzen. Es wimmelt von Menschen und die Straßencafés sind gut besucht. Viele Häuser sind wunderschön bemalt wie eine Freiluft-Galerie:
Natürlich laufen wir auch staunend über die beiden Wahrzeichen der Stadt: die mehr als 600 Jahre alte Spreuerbrücke und die Kapellbrücke. Wie der Name schon sagt, befindet sich auf letzterer tatsächlich mitten auf der Brücke eine Kapelle, während die andere ganz stillos einen Souvenirladen beherbergt. Das Holz der Brücken ist sichtbar gealtert und flößt dem Betrachter große Ehrfurcht vor den riesigen zerfurchten Balken ein. Über den Köpfen der Passanten werden in unzähligen Gemälden Geschichten erzählt. Die Kapellbrücke, eine der ältesten überdachten Holzbrücken Europas, beherbergt einen einzigartigen Bilderzyklus. Die dreieckigen Gemälde unter dem Dach der Brücke zeigen Szenen aus der Schweizer Geschichte und der Stadt Luzern. Ursprünglich gab es 111 Bilder, die bedeutende Ereignisse und Persönlichkeiten darstellten. Leider wurden viele dieser Kunstwerke durch einen Brand im Jahr 1993 zerstört. Die Spreuerbrücke hingegen erzählt eine düstere, aber eindrucksvolle Geschichte. Ihr Bilderzyklus, bekannt als Totentanz, wurde zwischen 1626 und 1632 geschaffen. Die Gemälde zeigen den Tod, der Menschen aus allen Gesellschaftsschichten – vom Kaiser bis zum Bauern – in seinen Tanz einlädt. Diese Darstellungen sollten die Vergänglichkeit des Lebens und die Gleichheit aller Menschen vor dem Tod verdeutlichen. Eigentlich müsste man sich die Zeit nehmen und Bild für Bild genau in Augenschein nehmen:
Auf den Brücken überquert man den Fluss Reuss. Aufgrund von Mineralien, die das Gletscherwasser enthält und wegen der Tiefe des Gewässers erscheint der Fluss türkisblau, obwohl es heute nicht die Spiegelung des Himmels gewesen sein kann.

Zum Abschluss des Tages wollen wir noch essen gehen und suchen ein Restaurant, in dem man beim Bezahlen keinen Herzinfarkt bekommt. Das klappt bezüglich der Summe ganz gut. Wir bestellen eine gemischte vegetarische Platte für zwei Personen und bekommen Frittiertes, dessen Gemüseinhalt nicht in jedem Fall auf Anhieb erkennbar ist. Mit anderen Worten – wir haben schon besser gegessen. Aber egal, immer hin wurden wir von Chef bedient und satt geworden sind wir auch.

Morgen haben wir noch einen Tag in Luzern. Das Wetter soll besser werden und wir wollen auf jeden Fall den Wochenmarkt besuchen, vielleicht auch noch das Bourbaki-Panorama, ein 360-Grad-Rundbild, das die Internierung der französischen Bourbaki-Armee in der Schweiz während des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 darstellt. Wir haben noch viel zu entdecken!
Die Stichwörter des Tages für die KI-Geschichte: E-Mails, PDF, schreiende Kinder, Wolfsburg, Transformationen in der Arbeitswelt, Political Correctness, Toleranz, AfD, Pünktlichkeit, Verspätung, Deutsche Bahn, Bürgergeld, Arbeitslosigkeit, Fachkräftemangel, David, Nina, Plattenbau, Türschloss, ADHS, Schweiz, Luzern, Schokolade, Haken an der Wand, Harald Glööckler, Pierre M. Krause, scheinbar große Liebe
Samstag, 10.05.2025 (Luzern)
Georg macht sich den Spaß, jeden Morgen seiner Schicksals-App einen klugen Spruch des Tages zu entlocken. Heute lautet er sehr passend: „Beginne etwas Neues.“ Das werden wir tun, doch erst einmal frühstücken wir gemütlich.
Wir haben heute noch einen Tag in Luzern, den wir nutzen wollen, die Stadt besser kennenzulernen. Ein paar Ziele haben wir uns rausgepickt, das erste ist der Wochenmarkt an der Reuss. Bei strahlendem Sonnenschein sieht selbst die Brücke viel freundlicher aus als gestern:

Wir lassen uns treiben, bewundern die Waren und ihre Preise. Ein Strauß Tulpen z.B. kostet 18 Franken. Es gibt viele Köstlichkeiten: Käse, Brot, Olivenöl, Gewürze, Nüsse, Obst, Gemüse und wir sind froh, gerade erst gefrühstückt zu haben, denn die Verführung ist groß. Am liebsten würde ich mir einen Viertel Laib Käse schnappen und reinbeißen, dazu noch ein frisches Sauerteigbrot. Was braucht man mehr?

Der See begrüßt uns mit einer malerischen Kulisse, die wir allerdings mit Respekt betrachten, denn schließlich werden wir ab morgen dort in den Bergen rumkraxeln:

Fasziniert betrachte ich das Schuhwerk einer jungen Frau, die an mir vorbeischlurft. Ich kann nicht anders – das muss ich fotografieren! Ich verfolge sie ein Stück, pirsche mich von hinten an sie ran und mache meinen Schnappschuss. Sie ist beim Laufen immer nach innen rausgeflutscht und ich frage mich: Sind das nicht Hausschuhe?

Doch was gehts mich an, sie wird schon ihre Gründe haben. Unsere Füße tragen uns weiter Richtung Hofkirche, wo uns ein Souvenirladen anlockt, der sich in einem der schönen Fachwerkhäuser befindet.

Georg kauft Postkarten und Briefmarken bei einer ausgesprochen kommunikativen Verkäuferin. Innerhalb von zwei Minuten hat sie mit uns die europäische Finanzsituation, das Verhältnis Deutschland – Schweiz, wer von wem Geld haben will sowie Umtauschschwierigkeiten von Franken in Euro durchdiskutiert. Mit diesem säkularen Grundwissen ausgerüstet, lockt uns der Klerus mit Glockengeläut. Wir steigen die Stufen zur Kirche hoch und werden in ihrem Inneren Zeuge einer Probe zur Kommunion, die vermutlich morgen stattfindet, denn alles ist schön geschmückt. Der Altar ist aus schwarzem Marmor und die Orgel hat 7374 Pfeifen! Ich habe gelesen, dass hier auch Jodelchöre auftreten. Stelle ich mir sehr skurril vor.




Obwohl sich meine Religiosität auf das Zahlen der Kirchensteuer und gelegentliche Besichtigungen von Kirchen beschränkt, üben Glockengeläut, Orgelmusik und generell der Aufenthalt in Gotteshäusern einen beruhigenden Einfluss auf mich aus. Ich fühle mich geerdet, behütet, entspannt. Die Welt fällt irgendwie von mir ab.
Nach diesem Abstecher ins Innere umrunden wir auch außen die Kirche und führen schon wieder intensive Gespräche, während uns unsere Füße intuitiv zum Löwendenkmal tragen, eine Skulptur, die an die Schweizergardisten erinnert, die am 10. August 1792 beim Sturm auf die Tuilerien in Paris ihr Leben verloren. Der Löwe, der in eine Felswand gehauen wurde, stellt einen sterbenden Löwen dar – ein Symbol für Mut und Treue. Über ihm ist die lateinische Inschrift „HELVETIORUM FIDEI AC VIRTUTI“ eingemeißelt, was „Der Treue und Tapferkeit der Schweizer“ bedeutet. Das Denkmal wurde auf Initiative des Gardeoffiziers Karl Pfyffer von Altishofen errichtet und 1821 eingeweiht. Mark Twain hat es ebenfalls in Augenschein genommen und nannte es das „traurigste und bewegendste Stück Stein der Welt“.


Dann gönnen wir uns eine Pause in einem Straßencafé. Georg trinkt Kaffee und ich Pisco, was einige Aufmerksamkeit auf sich zieht. Erstens müssen sich die Leute an der Bar erst mal beraten, wie man das mixt und zweitens spricht mich ein Gast an und fragt, wie denn dieses interessante Getränk heißt, bevor er sich auf sein Rad schwingt und davonfährt.

Aprops Rad. Luzern ist ein Radfahrer-Paradies! Es gibt viele eigens dafür reservierten Straßen und als Fußgänger hat man da ganz schlechte Karten. Man muss höllisch aufpassen, dass man nicht im Weg steht, denn das forsche Tempo ist nicht auf Ausweichmanöver ausgerichtet.
Direkt in diesem Café gibt es ein Panorama, das Alpineum. das sich auf dreidimensionale Alpenpanoramen spezialisiert hat. Es zeigt beeindruckende Diorama-Gemälde, die die schönsten Gebirgsregionen der Schweiz darstellen, darunter Pilatus, Rigi, Jungfrau, Monte Rosa, Gornergrat und das Matterhorn. Wir denken zunächst, das wäre das Bourbaki Panorama. Aber die Verwechslung ist nicht schlimm, denn auch dieser Rundgang ist sehr beeindruckend. Nebenbei führen wir unsere Gespräche weiter, trödeln rum, bleiben auch mal stehen, fotografieren und philosophieren über Religionsfreiheit, Aale, kluge Tauben und Krähen. Plötzlich geht das Licht aus. Offenbar hat man bei der Berechnung der Aufenthaltsdauer hier drin nicht bedacht, dass es auch Schnattertaschen wie uns gibt.
Wir tasten uns zum Ausgang und machen uns auf die Suche zum nächsten Panorama, dem Bourbaki. Da hier alles fußläufig ist, dauert es auch gar nicht lange, bis wir davorstehen. Es befindet sich in einer Art Kulturhaus, in dem auch ein Kino, ein Café und die Bibliothek untergebracht sind. Mein Herz schlägt sofort höher – da muss ich hin! Wie so oft habe ich auch hier das Gefühl, dass wir in Berlin Lichtjahre von einer modernen, zeitgemäßen Ausstattung entfernt sind. Es gibt unzählige Arbeitsplätze und architektonisch sehr raffiniert angelegte Treppen und Querverbindungen zwischen den Räumen. Die Sortierung der Bücher erfolgt ausschließlich numerisch. Z.B. haben alle Reiseführer Deutschland dieselbe Nummer. Nichts weiter. Simpel und funktional. Die Öffnungszeiten: Mo-Fr 9-19 Uhr, Sa und So 9-17 Uhr.
Nun aber ab ins Bourbaki-Panorama. Es ist ein 360-Grad-Rundbild, 112 Meter lang, das die Internierung der französischen Bourbaki-Armee in der Schweiz während des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 darstellt. Es wurde 1881 von Edouard Castres geschaffen und zählt zu den wenigen erhaltenen Riesenrundgemälden weltweit. (Eins davon ist das Bauernkriegs-Panorama von Werner Tübke in Bad Frankenhausen.) Es zeigt die erschöpften Soldaten, die an der Grenze ihre Waffen abgeben und von der Schweizer Bevölkerung sowie dem Roten Kreuz versorgt werden. Mit einem Tablet und Kopfhörern kommen wir in den Genuss einer Audioführung.
Unser nächstes Ziel ist die Museggmauer. Dafür müssen wir über viele Treppen den Berg hoch und entdecken unterwegs ein sehr interessantes Viertel. Einer der Aufgänge wurde optisch halbiert. Die linke Seite ist voller Graffiti, die rechte Wand blütenweiß. Mittels Klebepunkten werden die Passanten aufgefordert, ihre Präferenz zu kennzeichnen. Lieber bemalt oder langweilig weiß?

Ich würde sagen, es herrscht Gleichstand.
Eine Fleischerei lenkt mit originellen Sprüchen die Aufmerksamkeit auf sich:


Und eine Straße bringt mit ihren Häuser-Fassaden Farbe ins Leben:
Weiter oben öffnet sich der Blick auf die Stadt und den See. Wir probieren verschiedene Selfies aus, kommen aber irgendwie zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis. Wir werden einfach nicht schöner!
Eine Pädagogische Hochschule am weiteren Weg weckt durch ein Relief unsere Aufmerksamkeit. Es könnte auch eine Wandgestaltung an einem DDR-Gebäude sein, die Darstellung glücklicher Menschen in ihrem Alltag:

Die Köpfe über den Türen sind sehr aufschlussreich:



Schließlich finden wir auch die gesuchte Museggmauer, die mich sehr an die chinesische Mauer erinnert. Massen von Menschen pilgern auf ihr entlang von Turm zu Turm, bleiben stehen, machen Fotos, laufen wieder zwei Schritte, bleiben stehen. Das allein nervt mich schon, aber natürlich gibt es auch noch Gegenverkehr, der die Leute noch mehr ineinander verkeilt. Vermutlich denkt jeder genauso wie ich: Müssen die denn ausgerechnet alle jetzt hier langlaufen, wenn ich hier bin?!
Dessen ungeachtet vermittelt dieser Rest der Stadtmauer eine Ahnung davon, wie wehrhaft und in sich geschlossen Luzern einst war. Tritt man durch einen Turm auf die Rückseite der Wehranlage, steht man plötzlich inmitten von Weiden mit Ziegen, Kühen und Obstbäumen. Doch ein paar Stufen runter und einmal gedreht, ist da plötzlich wieder die hölzerne Kapellbrücke. Seltsam. Es liegt alles greifbar nah beieinander und trotzdem waren wir am Ende sieben Stunden unterwegs. Rechtschaffen hungrig, schließen wir den zweiten Stadttag mit einem Restaurantbesuch direkt am Fluss ab. Georg wählt Pizza, ich entscheide mich für Tortellini mit Käse und Spinat, schon mit der Ahnung, dass das ein Fehler war:

Neidisch schaue ich auf Georgs Pizza. Meine Tortellinis sind zwar sehr lecker, aber einfach mal viel zu wenig! Zu meiner großen Freude hat Georg Erbarmen und überlässt mir ein Viertel Pizza.
Nun bin auch ich satt und wir treten den Heimweg an. Wir müssen uns ausruhen, denn ab morgen wird gewandert!
Die Stichwörter des Tages für die KI-Geschichte: Bilder im Kopf, Phantom-Haare, Wochenmarkt, Koffein, Kreislauf, Mitteilungsbedürfnis, Aufmerksamkeits-Varianz, Tagesplanung, Religionsfreiheit, Krieg, Grundrechtskonkordanz, Hebebühne, Treetboot, Grabpflege, Götter, Brecht, Aale, Tauben, Krähen
Sonntag, 11.05.2025 (Luzern – Alpnachstad, 21 km, mit dem Zug bis Stans)


Als Georg heute zum verabredeten Zeitpunkt nicht da ist und auch telefonisch nicht erreichbar ist, gehe ich einfach 3 min. vor 9 Uhr mal nachschauen. Das hat eine kleine Verstimmung zur Folge, denn aus seiner Sicht ist alles in Ordnung und es hätte kein Anlass zum Drängeln bestanden. In meinem Kopf war aber der Satz in den Reiseunterlagen drohend präsent: „Das Gepäck muss bis spätestens 9 Uhr an der Hotelrezeption stehen zum Weitertransport.“ Doch wie fast zu vermuten ist, stehen die die Koffer dort auch noch um 10 Uhr, als wir das Hotel zu unserem ersten eigentlichen Wandertag verlassen.
Schicksalsspruch des Tages: „Du wirst schon deinen richtigen Weg finden, lass dich bloß nicht beeinflussen.“
Gleich die erste Etappe hat es in sich. 21 km mit heftigen Steigungen. Zunächst müssen wir erst einmal aus Luzern hinauswandern. Dieser Abschnitt ist sehr entspannt, es geht immer am Seeufer entlang, ohne Steigungen. So könnte es weitergehen! Georg bleibt alle zwei Minuten stehen, um die Sohlen in seinen Barfuß-Schuhen zu richten, während ich – solange es noch so gemütlich zugeht – zwei Gänge höher schalte. Ich muss das ausnutzen, denn sobald es bergauf geht, werde ich zur Schnecke. Georg holt lässigen Schrittes immer wieder auf, schließlich nimmt er aber die Sohlen einfach raus. Es ist traumhaft schön. Die Sonne scheint, die Boot schaukeln im Wasser, Familien machen Picknick oder gehen baden. Im Vorbeigehen schnappen wir manchmal ein paar Fetzen Schwytzerdütsch auf, was wie ein freundlicher Singsang klingt. Vorbei am Wagner-Museum, an saftig grünen Wiesen und dem malerischen Blau des Sees kommen wir gut voran. Entgegenkommende Wanderer grüßen mit „Grüezi“, wogegen unser „Hallo“ sich sehr hart und fast unfreundlich klingt. Vielleicht kann ich mir den Schweizer Gruß noch angewöhnen.
Es ist alles sehr sauber, Papierkörbe, die nett dazu aufrufen, Luzern sauberzuhalten, werden offenbar auch als solche genutzt. Ich entdecke sehr außergewöhnliche Bäume z.B. die Manna-Esche. Hier herrscht ein sehr mildes Klima, so dass auch Palmen nicht in Kübeln wachsen, sondern direkt in der Erde in friedlicher Nachbarschaft mit einer Tanne. Auch der Bärlauch blüht gerade mit intensivem Knoblauch-Duft.
Noch entspricht der Weg genau meiner Leistungsfähigkeit, wenn er auch abschnittsweise nicht direkt attraktiv ist. In Horw führt er uns durch ein Industriegebiet und in manchen Orten müssen wir erstaunt feststellen, dass es fast überall neben schönen Bauernhäusern auch Plattenbaugebiete gibt.


Dann ist es soweit – der von mir gefürchtete steile Aufstieg auf 900 m steht bevor. Ich werde tempomäßig zur Schnecke und kämpfe mich schnappatmend Stück für Stück voran, während Georg am Horizont verschwindet.





Aber natürlich wird die Aussicht auf den Vierwaldstättersee mit jedem Höhenmeter immer spektakulärer. Eine Pause für ein Fotoshooting mit Margeritenblüte kommt mir da sehr entgegen.





In der App zur Wanderung können wir alles gut verfolgen. Wo laufen wir gerade lang (Punkt auf der Karte), wo genau im Höhenprofil finden wir uns wieder, wie viele km sind wir schon gelaufen, welche Highlights erwarten uns am Weg. Ich starre alle fünf Sekunden auf das Höhenprofil in der Hoffnung, dass wir den Gipfel bald erreicht haben, aber es dauert eben alles seine Zeit. Unterwegs kommen wir an einem – wie wir in Deutschland so schön sagen – servicefreien Hofladen vorbei, also ohne Personal mit einer Kasse des Vertrauens, sehr ansprechend eingerichtet, fast wie ein Kaufmannsladen aus meiner Kindheit. Wir schlagen zu, als gäbe es kein Morgen. Einen Apfel, oh, leckere Kekse, Apfelschorle, schau mal – Schokolade, hier noch ein Möhrchen, Linzer Törtchen, da noch ein Eis. Schließlich siegt aber die Vernunft.


Eis schleckend, gehts weiter bergauf, immer höher und höher, vorbei an Ställen, Weiden und saftigen, bunten Bergwiesen, die man ja sonst kaum noch sieht. Was wir aber schmerzlich vermissen, ist eine Bank. Es wird tatsächlich bis oben auch keine mehr kommen. Deswegen machen wir Picknick im Gras und machen uns über unsere eben erworbenen Schätze her.




Auch ein ehemaliges Corona-Impfzentrum passieren wir:

Irgendwann haben wir es dann geschafft, das Gipfelkreuz winkt uns. Aber das ist trügerisch, denn nach einigen Metern abwärts gibt es noch zwei weitere, wenn auch kürzere Aufstiege. Der letzte führt uns an einer kleinen Kapelle vorbei, mittlerweile gleicht die Sicht auf den See dem aus einem Flugzeug. Von der Kapelle aus müssen wir nochmal richtig kraxeln.
Als ich mich auf den Stufen umdrehe, um den Blick ins Weite zu genießen und dabei gleich mal ein bisschen verschnaufen zu können, wird es mir ein bisschen schwindelig. Das passiert mir immer, wenn ich weit oben bin und meine Augen keinen Halt finden, wenn also neben mir kein Geländer ist. Das ist eine reine Kopfsache und auch nicht weiter schlimm.

Nun müssen wir natürlich auch wieder runter, was nicht unbedingt leichter ist als hoch. Es ist ein Geröllweg, der sich 1,5 km nach unten schlängelt. Wir stehen ein bisschen unter Zeitdruck, müssen wir doch einen Zug erreichen, der uns in den Ort bringt, in dem wir heute übernachten. Wir schaffen das wirklich auf die Minute, eine Punktlandung. Ich hatte vorher die Fahrkarten gekauft und stehe jetzt da mit meinem Handy, ziemlich erschöpft und finde den QR-Code in der App nicht. Georg übernimmt das und erklärt mir nebenbei, wieso ich dieses und jenes nicht wahrnehme, weil ich fokussiert bin auf andere Dinge. Kann ja sein, aber ich will das jetzt gar nicht wissen, sondern einfach nur ankommen. Wir sitzen also im Zug und ich wundere mich, wieso wir schon fast wieder in Luzern sind, bis uns auffällt, wir hätten nochmal umsteigen müssen. Also raus aus dem Zug und wieder zurück, natürlich nun ohne gültige Fahrkarte. Aber der Schaffner ist ganz entspannt, lächelt uns freundlich an und meint, dass wir ja nun auf dem richtigen Weg wären.
In Stans angekommen, ist es nicht weit bis zum Hotel, dass uns sehr gut gefällt. Es trennt Welten von dem in Luzern. Sehr schön, modern und funktional eingerichtet. Wir gehen dann noch ein paar Schritte durch den kleinen, aber feinen Ort und essen im gefühlt einzigen, geöffneten Restaurant – wieder ein Italiener. Dieses Mal bestelle ich aber auch eine Pizza!

Die Stichwörter des Tages für die KI-Geschichte: Habeck, Merz, Baerbock, Gysi, Pünktlichkeit, Stress, Muttertag, Wagner, Bruckner, Wand, Haushofer, Arno Schmidt, Dieter Bohlen, Thomas Anders, nordischer Sozialismus, Sonnencreme
Montag, 12.05.2025 (Stans – Emmetten)


Schicksalsspruch des Tages: „Heute hast du Glück!“
Heute sind wir mit der Vorstellung gestartet, dass es zwar auch anstrengend werden wird, sich aber im Vergleich zu gestern sicher wie ein Spaziergang ausnehmen wird. Sechs Kilometer weniger, das ist doch pillepalle! Auch, wenn es regnen sollte. Wir verlassen also unser schönes Hotel und gehen die 100 Meter zum Bahnhof, um mit dem Zug zur Seilbahnstation Niederrickenbach zu fahren. Fahrkarten hatte ich gestern schon per App gekauft, es kann also nichts schiefgehen. Der Zug kommt (natürlich pünktlich), und los gehts. Wir sind wieder in psychologische Erörterungen vertieft, schauen aber immer, wenn der Zug hält, ob wir aussteigen müssen. Irgendwann kommt mir die Sache komisch vor und wir finden heraus, dass Niederrickenbach ein Bahnhof mit Halt auf Verlangen ist und wir schon lange daran vorbei sind. Wir und die Schweizer Bahn! Als die Schaffnerin kommt, müssen wir nachzahlen und natürlich auch eine Rückfahrkarte kaufen, aber sie ist sehr freundlich und wir dürfen sogar in der 1. Klasse Platz nehmen. Wir fahren bis zur Endstation, von dort tritt der Zug seine Rückfahrt an. Nun müssen wir aufpassen, dass wir nicht wieder an der Station vorbeirauschen, aber die Schaffnerin hat uns deutsche Provinzler ins Herz geschlossen und betreut uns bis zum Ausstieg. Zur Seilbahnstation ist es ein Katzensprung, aber durch unsere Eskapaden starten wir dort eine Stunde später als geplant. Auf dem Vorplatz hat sich jemand schöpferisch betätigt:
Mit uns steigt ein Einheimischer in die Kabine ein, der uns erzählt, dass er beim Kartenspiel eine Seilbahnfahrt gewonnen hat und deswegen jetzt da mal hochfährt. Er wohnt schon über 20 Jahre in Stans, war aber noch nie auf dem Berg. Seine Frau hat oben in dem Kloster gearbeitet, aber dort war er auch noch nie. So ist das mit den Einheimischen. Viele Berliner haben auch noch nie den Fernsehturm besucht. Er hat eine Menge Humor und wir lachen viel, alles verstehen wir aber leider nicht, obwohl er bestimmt versucht, hochdeutsch zu sprechen. Wir erfahren auch, dass früher jeden Tag um 5 Uhr Gottesdienst war, damit die Bauern vor ihrer Arbeit den Tag segnen lassen konnten. „Aber das wurde abgeschafft, in die Kirche gehen meistens nur noch die Alten.“ Als er erfährt, dass wir oben 15 km wandern wollen („Zu Fuß?!“) bis Emmetten, erfasst sein Gesicht ein ungläubiges Staunen. Er wird weiterfahren, man kann umsteigen in eine andere Seilbahn, das ist doch viel bequemer! Wir verabschieden uns gut gelaunt und wenden uns dem ersten Aufstieg von ca. 400 Höhenmetern zu, vorbei an einem Wohnhaus mit drei Kindern und dem Kloster, das ganz schnell hinter den bunten Bergwiesen unsichtbar wird.
Weiter oben passieren wir einen Grillplatz, der so vorbildlich eingerichtet ist, dass man nur staunen kann. Es ist alles da, Papier und dünne Holzscheite für das Feuer, ein sauberer Grill, eine Hütte mit Tischen und Bänken, Sitzplätze im Außenbereich und eine Toilette. Plätze dieser Art werden uns heute noch öfter begegnen.


Weiter gehts, immer aufwärts und meine Lunge pfeift. Die vielen erhebenden Landschaftsmotive geben mir ein Alibi, ab und zu stehenzubleiben, denn ich muss unbedingt da von diesem Blümchen, hier dem einzigartigen Wiesenhang, dort dem sich ständig verändernden Panorama oder oben dem Schauspiel der Wolkenformationen Fotos machen. Es gibt bestimmt schon tausende davon im Internet, aber natürlich braucht die Welt meine am dringlichsten.
Mir fallen wieder viele Pflanzen auf, die man sonst nicht oder nur selten zu Gesicht bekommt:

Diese kleinen Pausen sind aber gar nicht gut, man müsste wie eine Maschine Schritt für Schritt in einem angepassten Tempo einen Fuß vor den anderen setzen. Ich versuche das seit Jahren. Klappt nicht. Also schnaufe ich wie eine Lok, versuche meine Füße so zu setzen, dass sie auf dem Geröll (siehe nebenstehendes Foto) einen sicheren Halt haben und ich nicht mit einem wegrollenden Stein ins Wanken gerate. Die Gedanken reduzieren sich auf das Wesentliche. Georg entschwindet schlendernden Ganges in Höhen, die ich mühsam zu erreichen suche und macht ab und zu von seiner aufs Vorwärtskommen konzentrierten Mutter ein Foto.

Wir arbeiten uns in Regionen vor, in denen noch Schnee liegt und bauen einen kleinen, süßen Schneemann.


Und irgendwann sind wir oben. Ich umarme das Gipfelkreuz, Georg genießt die Aussicht.
Nun kommt ein Abschnitt, der wieder abwärts führt und wir sind etwas verunsichert, als genau dieser Weg, der auf der interaktiven Karte angezeigt wird, von mehreren Bauarbeitern mit Fahrspuren aus frischem Beton versehen wird. Dürfen wir da lang? Aber die Männer schieben unsere Bedenken gelassen beiseite. Wenn wir sie richtig verstanden haben, dürfen wir weiterlaufen, müssen aber im wahrsten Sinne des Wortes „neben der Spur“ bleiben.

Inzwischen hat sich der Himmel immer mehr zugezogen, und als wir den zweiten, ähnlich langen Aufstieg beginnen, weitet sich anfängliches Tröpfeln zu einem ordentlichen Regenguss mit Hagel aus. Einmal donnert es auch scheppernd. Unter einer Fichte beratschlagen wir, was wir tun sollen. Zurücklaufen würde nichts bringen, unterstellen auch nicht, weil es vermutlich weiterregnen wird und wir ja noch die Seilbahn nach Emmetten erreichen müssen. Also müssen wir weiter, egal, wie nass wir werden, was ganz schnell geht, trotz Regenkleidung. Spaß macht das nicht, aber uns bleibt nichts anderes übrig. Trotzdem haben wir noch ein Auge für das Naturschauspiel vor unseren Augen. Im Talkessel wabert weißer Nebel und steigt immer höher. Auch die Bergspitzen sind kaum noch zu sehen. Uns wird ein bisschen mulmig, denn bei Gewitter soll man nicht todesmutig alpine Wanderungen unternehmen. Aber was sollen wir tun? Taxi rufen ist hier keine Option.
Wir haben Glück, der Regen lässt irgendwann nach und hört schließlich ganz auf. So können wir – wenn auch ziemlich durchnässt – unseren Aufstieg auf 1700 Meter fortsetzen, vorbei an großen Schneefeldern. Es ist entsprechend kalt, aber die Anstrengung hält uns warm.
Wir kommen an einem Gehöft vorbei, das einem Scherzkeks zu gehören scheint. Diese witzige Beschilderung lässt für einen Moment die Anspannung in Vergessenheit geraten:





Fast auf allen Vieren erreichen wir endlich den Punkt, an dem es abwärts geht zur Seilbahn. Auch hier ist größte Vorsicht geboten, denn der Regen hat alles aufgeweicht und macht den Lehmboden, die Steine und Treppenstufen zur Rutschbahn.
Zeitlich bewegen wir uns im vorgegeben Rahmen. In den Unterlagen war von 6 Stunden Gehzeit die Rede, wir haben eine halbe Stunde mehr gebraucht, als wir an der Bergstation der Seilbahn ankommen. Mittlerweile hat uns der Nebel eingesponnen und wir sehen die Station erst, als wir direkt davorstehen.
Wir gehen rein – kein Mensch zu sehen. Ich schiebe Panik, fährt eventuell um diese Uhrzeit keine Bahn mehr? Müssen wir jetzt noch zwei Stunden runterlaufen nach Emmetten? Georg ist wesentlich besonnener und versucht, mir wie einem kleinen Kind zu erklären, dass das auch eine Rufbahn ist. Man muss einen Knopf drücken und der Ruf kommt in der Talstation an. Von dort aus wird die Kabine dann nach unten navigiert. Normalerweise. Doch nicht jetzt. Auf die Ruftaste reagiert niemand. Ich rufe eine angegebene Telefonnummer an und es nimmt Gott sei Dank jemand ab. Er erklärt mir, dass gerade eine Revision durchgeführt wird, auch das Seil abgehängt wurde und die Seilbahn in ca. zwei Stunden wieder betriebsbereit wäre. Für mich ein Unding, so lange zu warten. „Dann laufen wir!“, verkünde ich entschlossen. Doch Georg schüttelt heftig mit dem Kopf. „Wir brauchen auch zwei Stunden zu Fuß, außerdem sehen wir wegen des Nebels nichts. Das ist viel zu gefährlich! Wir warten jetzt hier. Wir haben alles, was wir brauchen. Toilette, einen Warteraum, Getränkeautomat.“ Ich weiß, das er recht hat, empfinde es aber trotzdem als eine Zumutung. Mir ist kalt, die Klamotten sind nass. Mein Kind will mich zu Dehnübungen überreden, um die Muskeln aufzuwärmen und redet pausenlos auf mich ein. Meine Reaktion: „Lass mich in Ruhe! Ich entscheide selber, was ich machen will.“ Erfreulicherweise entdeckt er, dass in den Toiletten Heizungen sind, was meinen Gemütszustand wieder besänftigt. Ich ziehe mich dorthin zurück und harre der Dinge, die da kommen. Es gibt ja auch wirklich Schlimmeres. Nach schon einer Stunde kommt die Seilbahn in Bewegung. Georg setzt sich nochmal mit der Talstation in Verbindung und wir können die Abfahrt antreten. Zum Hotel ist es nicht weit und wir werden dort voller Mitgefühl empfangen. Sie wussten Bescheid, weil ich angerufen hatte, dass wir uns verspäten.
Als wir eine Viertelstunde später zum Essen gehen, herrscht draußen Weltuntergang. Sturzbachartig rauscht das Regenwasser die Straßen hinab. Was hatten wir doch für ein Glück, noch vorher das Hotel erreicht zu haben! Womit sich der Kreis zum Schicksalsspruch des Tages schließt.

Die Stichwörter des Tages für die KI-Geschichte: Schilder lesen, Dialekte, ADHS, Partnersuche, Kindererziehung, Muskelkater, Zahnwurz, Bären, Sauerklee, Himmelsschlüsselchen, Fensterkitt, Kuhglocken, Gelassenheit, Dehnungsübungen, Regen, Wahrnehmungsstörungen, Doppelkinn, Schönheits-OP
Dienstag, 13.05.2025 (Emmetten – Brunnen)


Heute steht uns ein gemütlicher Tag bevor. Nur 10,6 km mit moderaten Anstiegen und vielen Abstiegen. Das Frühstücksangebot in dem großen Restaurant ist sehr überschaubar und wirkt fast ein bisschen abgezählt. Aber wir werden satt und der Kaffee schmeckt. Es ist 9 Uhr, und trotzdem haben wir haben irgendwie das Gefühl, dass wir Bummelletzte sind, denn außer uns sitzt nur noch ein Pärchen am Tisch neben uns. Ob denn alle anderen Hotelgäste schon fertig sind? Oder sind wir die einzigen im Haus? Dieses Rauskehr-Gefühl verstärkt sich, als ich zurück ins Zimmer gehe. Alle meine Habseligkeiten sind auf einen Haufen gelegt worden, das Bett ist frisch bezogen, das Bad geputzt und das Klopapier gefaltet. Deutlicher kann man es nicht signalisieren, dass unser Aufenthalt hier beendet ist. Wir treffen uns an der Rezeption um die Schlüssel abzugeben und eventuell noch Kurtaxe zu bezahlen. Niemand zu sehen. Nebenan im Restaurant dröhnt der Staubsauger. Wir beschließen, diese Ignoranz zu erwidern und verlassen das Hotel, treten hinaus in den sonnigen Morgen. Die Berge dampfen noch von dem Regen, der bis in die Nacht andauerte.
Der Regen hat dafür gesorgt, dass der Bach, der durch den Ort fließt, gut gefüllt ist. Nach einem leichten Anstieg geht es kurz durch den Wald, und plötzlich liegt uns der fast unnatürlich leuchtendblaue Vierwaldstättersee wieder zu Füßen. Wir sind noch hoch oben, Emmetten liegt auf 774 hm. Da wir heute bis Rütli laufen und zur dortigen Schifffahrtsstation, müssen wir viel bergab laufen. Es ist ein sehr schöner Weg durch eine Schlucht, die Luft duftet frischgewaschen, viele unbekannte Pflanzen wecken mein Interesse. Gott sei Dank gibt es Google Lens, so kann ich also immer gleich sehen (und auch sofort wieder vergessen), wie die Blümchen heißen. Das erste Bild hier ist eine Akelei:
Währenddessen wechseln unsere Gesprächsthemen im Sekundentakt und ich muss mich entscheiden, ob ich stehen bleibe, um die Stichworte zu notieren oder ob ich sie mir merken kann. Die KI wird bestimmt ins Schwitzen geraten! Uns kommt ein Paar entgegen und wir werden gefragt, wo wir herkommen. Als sie erfahren, dass wir um den See laufen und unser Ziel heute Rütli ist, sagt der Mann: „Da händ dir aber no viel vor!“ Das beunruhigt mich ein bisschen. Ist der Weg vielleicht doch anstrengender als vermutet? Fakt ist, dass wir ziemlich langsam sind heute. Vermutlich liegt das an der Zahl 10 km, automatisch gerät man ins Trödeln.

Immer mal wieder passieren wir Bauernhöfe mit unterschiedlichsten Tieren – wunderschöne Kühe mit glänzendem Fell, riesige Ziegen und Schafe. In einem Hühnergehege entdecken wir etwas Verstörendes: Dort wurde eine tote Krähe mit ausgebreiteten Flügeln drapiert.
Auf dem gleichen Gehöft gabs aber auch Gartenzwerge und Engel. Sehr merkwürdig.


Wir lernen, dass in dem Ort die kleinste Rindersorte gezüchtet wird und dass wir gerade auf dem Jakobsweg laufen. Ein Haus ist so sehr mit Efeu bewachsen, dass wir erst dachten, das wäre ein Strauch auf der Wiese.




Der Blick auf den See verändert sich ständig, weil wir auf einer Art Halbinsel laufen. Und wieder stellen wir fest, dass es auch hier in jedem Ort, der etwas größer als ein Dorf ist, Plattenbauten gibt. Passt irgendwie gar nicht, aber in diesem Fall handelt es sich um eine Ferienhaussiedlung, wie uns ein Schild erklärt.
Wir nähern uns Rütli auf dem „Weg der Schweiz“, der die interessante und ganz besondere Geschichte der Schweiz auf unterschiedliche Weise verständlich zu machen versucht:

Er wurde zum 700-Jahr-Jubiläum der Eidgenossenschaft im Jahr 1991 geschaffen. Jeder Kanton hat einen Abschnitt des Weges gestaltet, wobei die Länge des jeweiligen Abschnitts proportional zur Einwohnerzahl des Kantons ist. Für jeden Einwohner wurden 5 mm berechnet. Die Steine zeigen, welcher Kanton den jeweiligen Wegabschnitt angelegt hat.
Hier ist auch der Schauplatz von Schillers Wilhelm Tell, weswegen es auch eine Tellskapelle und einen Schillerstein gibt.
Und dann sind wir am Heiligtum angelangt. Das Rütli liegt vor uns. Eigentlich nur eine Wiese mit großen Eiben und Steinbänken. Aber wenn man bedenkt, welche historische Bedeutung dieser Ort für die Schweizer hat als „Wiege der Schweiz“ und dass dort schon 1291 mit dem Rütlischwur Geschichte geschrieben wurde, erfasst einen die Atmosphäre schon ein bisschen. Wir haben noch Zeit, bis unser Schiff übersetzt nach Brunnen und umrunden das Gelände, zu dem ein Picknickplatz, das Rütlihaus und der Schwurplatz gehören.
In einem kleinen Museum wird betont, dass die Schweiz im Prinzip die Demokratie erfunden hat und wie wichtig diese ist:


Als wir alles inspiziert haben, schlendern wir hinunter zur Ablegestelle der Fähre, die gerade losfährt, als wir dort ankommen. Die Stunde Wartezeit bis zur nächsten Fähre überbrücken wir im Rütlihaus.

Wieder an der Schiffsanlegestelle, entspinnt sich eine Diskussion zwischen uns bezüglich Toleranz. Neben uns telefoniert eine Frau über Lautsprecher und ich erzähle Georg, dass mich das immer aufregt. Können die Leute nicht ihr Handy ans Ohr halten? Georg ist der Meinung, wenn mich das stört, könnte ich ja aus dieser Situation rausgehen, wie er auch den Menschen recht gibt, die sich über laute Kirchenglocken aufregen. Wir kommen auf keinen gemeinsamen Nenner, aber so ist das Leben. Unser Schiff naht, pünktlich auf die Minute und die gesamte Bootsbesatzung steht an der Brücke und begrüßt die Fahrgäste. Das hat Stil! Die Überfahrt dauert nicht lange. Schon von Deck aus können wir unser Hotel Schmid erkennen:
Auch hier ist der Empfang einzigartig. Uns wird alles genauestens erklärt, als hätten wir noch nie ein Hotel von innen gesehen. Zum Ausfüllen der Meldescheine werden wir an einen Tisch geleitet und anschließend gefragt, ob wir das gut geschafft hätten. Auch die Nutzung des WLAN wird uns in einem kleinen Vortrag über , Unsere Zimmer sind klein, aber völlig in Ordnung. Wir unternehmen dann noch einen Ortsrundgang und entdecken eine weiteres Schweizer Nationalstolz-Denkmal. Die Auslandsschweizer haben sich zum 5. Kanton zusammengeschlossen und dieser Platz wurde ihnen zu Ehren geschaffen, weil sie die Schweiz in ihrem Herzen tragen und sie im Ausland repräsentieren.
Es ist ein wunderschönes Fleckchen Erde und das Wasser ist sehr klar. Übrigens ist der Vierwaldstättersee 214 Meter tief!
Die Stichwörter des Tages für die KI-Geschichte: Suchmaschinenoptimierung, Handyhüllen, Beamer, Portemonnaie, Kraftort, Benjamin Stuckrad-Barre, Landschaftssituationen, re nature, Afghanistan, Taliban, Raumplaner, Jakobsweg, Mythen, Außenweltwahrnehmung, Osteopathie, Vagusnerv, Gründeväter, Farn
Mittwoch, 14.05.2025 (Brunnen – Rigi Kaltbad)

Wie jeden Morgen treffen wir uns kurz vor 9 Uhr, stellen unser Gepäck zum Weitertransport an die Rezeption und gehen frühstücken. Letztendlich sind immer die gleichen Dinge im Angebot: Zipferli, Brot, Wurst, Käse, Marmelade, Natur- und Blaubeerjoghurt, Müsli, Kaffee, Kuchen. Reicht ja auch! Mal ist das Ganze als Augenschmaus angerichtet, mal rein zweckmäßig, aber satt werden wir immer und können auch heute gestärkt starten.
Vorher noch der Schicksalsspruch des Tages: „Der Tag wird eine unerwartete Wendung nehmen.“
Ob das nun Gutes oder Unheil verkündet, wird sich zeigen! Zunächst führt uns der Weg 25 min. lang durch Brunnen zur Talstation der Urmiberg-Seilbahn, immer am Ufer des Sees entlang. Eigentlich haben wir keine Zeit zum Trödeln, aber ein Fotoshooting mit dieser Dame muss einfach sein:




Sie hat eindeutig die grazilere Körperhaltung. Das Wetter ist uns wohlgesonnen, das Wasser des Sees glitzert in einem Blau, das nicht von dieser Welt zu sein scheint.

Wie schon in den letzten Tagen immer wieder mal erwähnt, gibt es auch hier die übliche Plattenbausiedlung. Ich habe nichts gegen diese Art von Häusern, ich wohne ja selbst in einem solchen. Aber trotzdem passen diese grauen Klötze hier nicht in die Landschaft, finde ich. Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass der Blick von innen nach außen fantastisch ist.
Vielleicht an dieser Stelle noch etwas zu unserem Eindruck vom Leben hier in der Schweiz. Als Urlauber hat man natürlich sowieso eine entspanntere Sicht auf die Dinge, aber wir haben bis jetzt nur ein freundliches Miteinander erlebt. Es gibt kaum Menschen in Eile, niemand wirkt gestresst oder gehetzt. Das öffentliche Leben läuft offenbar ohne Aufregung nach Plan.
Niemand hupt, Fußgänger und Fahrräder sind gleichberechtigt. Es liegt kein Müll rum, nirgendwo. Weder in den Ortschaften noch in der Natur. Es ist nicht alles perfekt, aber es geht absolut friedlich zu. Man interessiert sich füreinander, wechselt ein paar freundliche Worte. Den Begriff „Hektik“ gibt es bestimmt gar nicht im Wortschatz der Schweizer.
An der Talstation angekommen, steht eine Kabine abfahrtsbereit, allerdings ist sie mit fünf Personen schon fast vollständig belegt. Gesteuert wird die Abfahrt von der Bergstation. Hinter uns sammeln sich weitere Reiselustige an. Die nächste Fahrt wäre aber dann erst in 30 Minuten. Was würde jetzt in Deutschland passieren? Die Menschen würden murren und meckern, dass man ja wohl wissen sollte, dass bei so viel Andrang ein Halbstundentakt viel zu wenig ist. Was passiert hier? Einer der Leute, die schon drinsitzen, ruft oben an uns schildert die Situation. Die Kabine wird also sofort nach oben geholt und fährt so lange etwas öfter, bis der Personenstau sich aufgelöst hat. Da wird nicht großartig diskutiert, sondern einfach gehandelt. Dass hier auch immer Humor mit im Spiel ist, zeigen diese Schilder:


Die Kabine kommt also wieder runter, wir steigen ein und mit uns weitere vier Personen. Sie unterhalten sich und eine sagt: „Wie isch nur dr Name? Nebe Roschtock. Dä chunnt mer glii in Sinn.“ Sie grübelt und ich möchte sagen: „Warnemünde?“ Könnte ja schließlich sein, dass sie sich über eine Reise an die Ostsee unterhalten haben. Doch dann hat sie die Antwort: „Kaiserstock!“ Bin ich froh, dass ich meinen Schnabel gehalten habe. Einer aus der Gruppe stellt das zulässige Gesamtgewicht für die Gondel (480 kg) auf eine harte Probe. Sofort geht das Kopfkino los – wird das zu der prophezeiten, unerwarteten Wendung führen? Aber alles geht gut, wir kommen wohlbehalten oben an, zeigen unser Ticket vor und wandern los. Da ja die ersten 800 Höhenmeter mit der Seilbahn überwunden wurden, kann das ja heute nicht so schlimm werden, denken wir.
Wir sind schon so weit oben, viel höher kann es ja gar nicht mehr gehen, reden wir uns die Sache schön. Wir marschieren los, frisch und ausgeruht. Doch schon kurz darauf schalte ich in den ersten Gang. Ich versuche ein Tempo zu finden, das mich nicht völlig außer Atem geraten lässt. Allerdings ist „Tempo“ dafür das falsche Wort. ich schleiche in Zeitlupe den Berg hinauf, nicht ein Fuß vor, sondern neben den anderen, den Blick nach unten gerichtet. So muss ich nicht sehen, wie weit es noch bergauf geht. Oft ist es nämlich so, dass ein Ende in Sicht zu sein scheint, doch wenn man oben ist, steht dort schon der nächste Hügel. Georg ist zeitweise nur noch als ein kleines Pünktchen zu erkennen.
Er wartet auf mich auf einer Bank, wo ich mal wieder ein paar Blümchenfotos mache und wir eine kleine Pause einlegen. Diese Bergwiesen sind aber auch schön!
Und weil wir gerade das Rigi-Bergmassiv besteigen hoch zum Rigi Dossen (1685 m), hören wir uns dort die Geschichte von Mark Twain an über die Rigi-Besteigung, die er 1879 mit seinem Freund unternommen hat auf den Rigi Kulm, der – 100 m höher – zu uns rüberwinkt. Viele seiner Eindrücke konnten wir direkt bestätigen und haben still vor uns hingekichert. Die beiden wollten unbedingt den Sonnenaufgang sehen von dort oben. Geplant war ein Tagesausflug, letztendlich wurden es drei Tage. Der Gepäckträger, den sie gemietet hatten, murrte ob des langsamen Aufstiegs der beiden. Sie fragten ihn, ob er es eilig habe, er könne ja gerne schon vorausgehen. Er erwiderte, eilig hätte er es nicht, aber er wolle oben ankommen, solange er noch jung sei. In dem Ton geht es weiter, voller Humor und Selbstironie. Eine wunderbare Geschichte und hier am Schauplatz des Geschehens besonders passend.
Während der gesamten Wanderung werden wir von einer App navigiert, so dass man sich nicht verlaufen kann und auch sieht, wie viele Höhenmeter man noch vor sich hat. Misst man diese mit bloßem Auge, denkt man: Nur noch so ein kleines Stück! Doch die App sagt: Ne ne, täusche dich mal nicht! Es sind noch 200 Höhenmeter! Aber natürlich schaffen wir auch das und es verschlägt mir im doppelten Sinn den Atem. Erstens von der Anstrengung und zweitens über diesen unbeschreiblichen Blick vom Rigi Dossen auf den Vierwaldstättersee und zur anderen Seite auf den Zugersee. So ein intensives Zusammenspiel verschiedener Blautöne habe ich noch nirgendwo und noch niemals in meinem Leben gesehen. Man könnte denken, die Fotos sind bearbeitet, so knallblau sieht das alles aus.


Ich versuche, das alles in mich aufzunehmen und zu verarbeiten und ich weiß jetzt schon: Ich werde diese Landschaft vermissen!
Nun beginnt der Abstieg nach Rigi Kaltbad, wo unsere heutige Etappe im gleichnamigen Hotel endet. Es geht gar nicht so weit nach unten, aber fast nur über Geröll und ziemlich steil. Das beansprucht wiederum ganz andere Beinmuskeln als der Aufstieg und ich bin froh, als der Weg etwas fußfreundlicher wird. Wir kommen an einer ehemaligen Eisenbahnbrücke an, überqueren diese und nehmen einen Panoramaweg an einem Felsen entlang als Einfallsschneise nach Kaltbad. Entlang des Weges sind die vielen Pflanzenarten mit kleinen Schildchen beschriftet, eine Art analoges Google Lens, was meine Neugier viel schneller stillt als eine App. Tatsächlich habe ich mir nun doch schon einige Namen gemerkt.
Der Weg zieht sich und es dauert noch ein Weilchen, bis wir am Hotel sind und den Mund vor Staunen nicht mehr zukriegen. Das ist mit Abstand die nobelste Unterkunft, die wir hier hatten. Ein Wellness-Hotel hoch oben auf dem Berg mit großem Spa-Bereich, einer großzügigen Anlage davor und trotzdem wie ausgestorben. Mein erster Gedanke ist: Zauberberg. Luxuriös, riesig, erholsam und ein bisschen dekadent. Unsere Zimmer bieten einen großartigen Ausblick auf die Berge.
Während ich so vor mich hinstaune, setzt ein Alphornbläser noch eins obendrauf, um das Bild komplett zu machen:
An der Rezeption werden für uns Taschen gepackt mit Bademantel und Handtüchern für das Schwimmbad. Georg nutzt dieses Angebot, was natürlich sehr vernünftig ist nach so einer Anstrengung. Anschließend sieht er so frisch und erholt aus, als könnte er jetzt gleich weiterwandern. Ich dusche lieber. Danach sind wir zum Essen verabredet. Im Restaurant wurde für uns ein Tisch reserviert gleich neben einem älteren Paar aus Dresden, die uns sofort in ein Gespräch verwickeln und uns erzählen, dass sie eine ganze Woche Halbpension gebucht haben und sehr zufrieden sind. Wir erfahren, dass ihre Tochter mal in Berlin gewohnt hat, jetzt aber in Naumburg. Mit Mann und Kind. Dieses Enkelkind besuchen sie oft und gerne, denn es ist sehr pflegeleicht. Berlin hat ihnen nicht so gefallen. Er versucht seine Frau seit langem zu einer Kreuzfahrt zu überreden nach Norwegen. Er hat Höhenangst und lange Zeit Flugangst, bis er mal in die Türkei geflogen ist. Seine Frau hat mit der Schwiegermutter der Tochter ebenfalls mal eine Flugreise unternommen. Ob wir mit dem Auto hier wären? So geht das weiter. Meistens spricht er, seine Frau greift nur korrigierend ein. Wir erzählen, dass wir von Brunnen hergelaufen sind. Sie wollen wissen, ob die Wege auch schön bequem sind und wir klären sie auf, dass das selten der Fall ist. „Das ist nichts mehr für uns, mit 72 Jahren muss man das nicht mehr haben“, sagt er. Ich nicke verständnisvoll und betrachte die beiden als eine Generation älter, bis Georg mich – selbst überrascht -darauf aufmerksam macht, dass ich ja nur knapp sieben Jahre jünger bin. Stimmt, er hat recht! Aber gefühlt trennen mich wirklich Welten von den beiden. Sie gehen dann noch eine Runde an die Luft, so dass wir in Ruhe zu Ende essen können. Aber auch wir verlassen das Hotel nochmal für einen kleinen Spaziergang bei Sonnenuntergang und entdecken zwischen zwei Felsspalten das Kaltbad, woher der Ort seinen Namen hat und einen kleinen Friedhof. Wir finden eine Gedenktafel an die Opfer eines Brandes, der in den 60er Jahren hier das vorherige Hotel niedergebrannt hat.
Es ist bitterkalt und ich schlottere so sehr, dass sogar meine Hände wackeln beim Fotografieren. Wir besprechen noch den morgigen Tag. Wir müssen bis Küssnacht laufen und dort kurz vor 13 Uhr die Fähre nach Luzern erreichen, weil es die letzte an dem Tag ist. Wie jetzt… Morgen Abend sind wir wieder in Luzern? Ich hätte ja gedacht, dass wir in Küssnacht übernachten und am Freitag nach Luzern fahren. Außerdem wird das ja total stressig. Es sind zwar nur 10 km von hier bis Küssnacht, aber da müssen wir zeitig los. Alternativ wird vorgeschlagen, die letzten Kilometer von der Seeboden-Alp-Seilbahn Gebrauch zu machen. Jetzt bin ich irgendwie enttäuscht. Kein kompletter Wandertag und dann noch Seilbahn? Das wirft mich etwas aus dem Gleichgewicht. Ich will wandern! Aber hier kommt wieder Georgs Deeskalations-Talent zum Einsatz. Er erklärt mir geduldig und das mehrmals, dass wir durchaus noch mehrere Kilometer wandern müssen, weil die Seilbahn-Station nicht gleich um die Ecke liegt. Wenn wir dort ankommen und genug Zeit haben, können wir bis Küssnacht weiterlaufen, wenn nicht, fahren wir Seilbahn. Ich beschließe für mich, dass das die unerwartete Wendung des Tages war.
Die Stichwörter des Tages für die KI-Geschichte: Horoskop, Ingeborg, Esoterik, Struwwelpeter, Singen, Vitalfunktionen, Herzfrequenz.
Donnerstag, 15.05.2025 (Rigi Kaltbad – Küssnacht)


Wie besprochen, treffen wir uns etwas eher als sonst zum Frühstück, das unsere gewohnten Erwartungen um ein Vielfaches übertrifft. Hier könnte man Stunden zubringen. Alles ist so kleinteilig und liebevoll angerichtet, dass man am liebsten alles durchprobieren würde. In kleinen Gläschen gibt es ein Potpourri an mundgerecht geschnitztem Gemüse oder Obst, vielerlei Brotsorten und Brötchen, Salate, Aufstriche u.v.m. Aber wir haben keine Zeit zum Trödeln. Um 10 Uhr starten wir, zunächst durch den waldähnlichen Hotelpark mit etlichen Informationen zur Geschichte dieser Anlage.
Den Aussichtspunkt unten links – das Chänzeli – gibt es natürlich immer noch, aber längst nicht mehr so schön. Es ist eine schlichte Plattform, von der aus wir einen letzten Blick von oben auf unsere Wegstrecke werfen können. Auch Küssnacht ist schon zu sehen.

Natürlich war Goethe auch hier. Wie recht er doch hatte mit diesem Satz:

Ebenfalls ein letztes Mal müssen wir eine Steigung überwinden bis zu einem Gipfelkreuz:



Unser Weg führt uns ein Stück an einer Bahnstrecke entlang, die zur Rigi Kulm reicht. Selbst diese Gleisanlagen bestechen durch ihre Sauberkeit und wirken außerordentlich gepflegt, fast geputzt. Ich bin kein Bahn-Fan, erkenne aber den Unterschied zum Zustand in Deutschland.
Ein Schild an einem Baum zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich. Es weist auf die Schwingwettkämpfe hin, die hier jedes Jahr auf der Wiese stattfinden und ein großes Volksfest sind. So etwas gibt es nur in der Schweiz.

Neugierig geworden, habe ich danach gegoogelt und etliche Videos gefunden, in denen diese merkwürdigen Kämpfe zu sehen sind. Die Männer tragen eine Art Windelhose über ihrer normalen Bekleidung, fassen sich gegenseitig an diesen Hosen an, die Hände fest in den Stoff an Hintern und Rücken des Gegners verkrallt und versuchen, diesen umzuwerfen. Dabei schwingen sie hin und her. Schaut mal dieses Video an, da kann man dieses seltsame Schauspiel gut beobachten: https://youtu.be/wH4GOq9kb24?si=CEZZT2wWIvR9YIVr
Wir schwingen auch, nämlich unsere Füße zum Endspurt ca. 5 km bergab. Wie immer über Stock und Stein und ziemlich steil. Entgegenkommende Frauen rufen uns zu, dass wir morgen bestimmt Muskelkater haben werden, denn uns stünde noch eine lange Strecke dieser Art bevor. Aber darüber sind wir längst hinweg. Nun sieht man keine Berge mehr, sondern die Landschaft wirkt in der Ferne geradezu flach. Auf dem Bild kann man das ganz gut erkennen:

Ein Blick auf die Uhr zeigt uns, dass wir es nicht pünktlich zu Fuß nach Küssnacht schaffen, um das Schiff zu erreichen. Somit ist unser Ziel die Seebodenalp. In einem Fenster entdecke ich einen wunderbar passenden Spruch:

Wir machen bald den letzten Schritt unseres Marsches, aber noch ist es nicht soweit. Wir gehen zur Seilbahn, die kurz darauf losfährt und uns nach Küssnacht bringt. Sie ist vom gleichen Typ wie die in Marzahn, aber von einer Schweizer Firma. Auch hier ist es wieder so, dass man bezahlt, wenn man aussteigt. 15 Franken für eine Person.


Nun haben wir noch ein bisschen Zeit, schlendern durch den Ort, entdecken viele schöne Häuser und einen Supermarkt. Dort kaufen wir ein bisschen ein und ich bezahle zum ersten Mal alleine und erfolgreich an einer SB-Kasse. Was wir allerdings völlig vergessen, aber noch geschafft hätten: einen Abstecher zur Hohlen Gasse zu machen. Hier hat Schillers Wilhelm Tell 1307 den habsburgischen Landvogt Hermann Gessler erschossen. Tja, das haben wir vergeigt.
Zurück am See, gibts noch ein Fotoshooting, ich teile mir meine gerade erworbene Brezel mit gierigen Enten und dann kommt auch schon das Schiff, das uns nach Luzern zurückbringt.
Dort kennen wir uns aus, weswegen der Weg zum Hotel sich wie Nachhause kommen anfühlt. Weil es erst 14 Uhr ist, beschließen wir, einen kleinen Spaziergang durch Straßen von Luzern zu machen, die wir noch nicht kennen. Als wären wir in den letzten fünf Tagen noch nicht genug bergauf gegangen, werden wir wie von einer unsichtbaren Schnur eine Steigung hinaufgezogen, höher, noch höher, bis wir wieder im Wald sind. Wir kehren um, entdecken einen Laden, der Karten für die Pilatusbahn verkauft und haben somit für morgen ein Ziel, erwerben in einem verführerischen Laden Schokolade, finden den Rotsee, der sich in einem Naherholungsgebiet nahe der Stadt befindet, schlagen Haken hierhin und dorthin und suchen uns schließlich ein Restaurant. Das waren nochmal 8 km zusätzlich durch die Stadt und ich habe das Gefühl, in Luzern schon erledigt zu haben, was ich in Berlin plane, nämlich jede Straße abzulaufen.
Wir beschließen den Tag bei einem leckeren Käsefondue und diskutieren dabei heftig über die nach meinem Dafürhalten Unart, Mails nicht zu beantworten, während Georg meint, dann hätte das auch einen Grund und das müsste man akzeptieren. Ich denke, die Wahrheit liegt wie immer in der Mitte.


Wer möchte, kann sich in einem kleinen Video unsere fünf Tage Auf und Ab durch die Berge rund um den Vierwaldstättersee in zwei Minuten anschauen:
Die Stichwörter des Tages für die KI-Geschichte: Schweitzer Mentalität, Namensforschung, Wertpapiere, Zinsen, Fonds, Steuern, Kirchensteuer, Verdi, Schweizer Bahn, Klassentreffen, Zoning Out, Detailverliebtheit, Kommunikationsinterpretation
Freitag, 16.05.2025 (Mit der Zahnradbahn zum Pilatus)
Wie schnell man sich doch daran gewöhnen kann, dass die einzige Aufgabe des Tages darin besteht, zu Fuß von A nach B zu kommen! Essen, Trinken, Laufen, Schlafen – damit ist der Körper völlig ausgelastet. Alles andere aus dem Leben vor dem Urlaub mutet an wie „In einem Land vor unserer Zeit“, ganz weit weg, diffus, unwichtig. Diese Reduktion auf das Wesentliche – Genuss + Bewegung + Erholung – toppt das beste Wellnessprogramm um Längen. Es ist anstrengend, aber nicht für den Kopf. Dessen Aufgabe besteht einzig und allein darin, Dopamin und Endorphine auszuschütten, damit es sein Träger den Berg hinauf schafft und oben die Augen staunen können. Und schon ist man glücklich. Nun ist diese genussvolle Schinderei vorbei und wir haben noch zwei Tage in Luzern, die wir gut ausnutzen wollen. Heute steht die Fahrt mit der steilsten Zahnradbahn der Welt (48%) auf dem Programm, die täglich Massen von Menschen hoch zum Hausberg Luzerns, dem Pilatus transportiert. Nach dem gewohnt etwas langweiligen Frühstück gehen wir zum Bahnhof. Dort steigen wir in die S5 nach Alpnachstad, die Strecke, die wir am ersten Tag gelaufen sind. Die Fahrgäste werden vom Zugpersonal herzlich begrüßt und wir stellen uns vor, dass in der Berliner S-Bahn an jeder Station eine Durchsage kommt: „Geschätzte Fahrgäste, wir begrüßen Sie herzlich in der S5 nach Spandau und wünschen Ihnen eine gute Fahrt!“ Das hätte Stil!
Vom Bahnhof Alpnachstad bis zur Zahnradbahn sind es zwei Minuten. Wir müssen nicht lange warten, bis erst ein Waggon seine Talfahrt hier beendet und kurz darauf ein zweiter. Erst dürfen alle mit „Reservation“ einsteigen, dann die anderen. Schnell sind alle Plätze belegt und los gehts.

Die 4,6 km bis zur Bergstation legt die Bahn in 30 Minuten zurück. Eine technische Meisterleistung, vor der man den Hut ziehen muss! 1886 wurde mit dem Bau begonnen (Tunnel hauen, Gleise fest im Gestein verankern, mehrere Bremssysteme einbauen) und drei Jahre später ging sie in Betrieb, damals noch mit Dampf, erst 1937 mit Strom. Von Anfang an war das ein Erfolgskonzept, heute werden jährlich ca. 665.000 Menschen transportiert. Man könnte natürlich auch hoch laufen. Der knapp 9 km lange Weg ist von der Bahn aus sehr gut als Serpentinen zu erkennen, dauert ja nach Kondition 5-7 Stunden und man überwindet 1620 Höhenmeter. Dazu hätten wir früher aufstehen müssen und außerdem wollten wir ja mal mit dieser Bahn fahren.

Oben angekommen, wird man zuerst in eine Art Flughafen-Transitzone ausgespuckt. Hier kann man shoppen, essen, trinken oder sich hinauswagen in die Kälte (8 Grad) auf einem in den Felsen gehauenen Rundweg. Es liegt noch ordentlich Schnee, der teilweise die Sicht aus den Fenstern versperrt und ich frage mich, wie das wohl im Winter sein wird. Ob man da überhaupt noch was sieht außer Schnee? Wir könnten auch drinbleiben und durch die Panoramascheiben den Blick wie aus einem Flugzeug nach unten genießen, aber das ist für uns keine Option. Wenn schon, dann so weit hochklettern über Treppen und Leitern, wie es nur möglich ist. Vorher aber muss ich unbedingt einem kleinen, feinen Jodelkonzert lauschen, das mich sehr fasziniert, besonders die Freude und Begeisterung, mit der die drei Musikanten bei der Sache sind:
Mit gefühlt 500 anderen Menschen umrunden wir bibbernd den Felsen mit immer wieder neuen, spektakulären Ausblicken. Alle mit ihrem Handy vor der Nase auf der Suche nach geeigneten Selfie-Hotspots.
Wir reihen uns ein und wählen für unser Foto die beliebteste und höchste Stelle, weil man von hier aus bei bester Sicht den kompletten Vierwaldstättersee sieht, der heute in einem verschwenderischen, überirdischen Blau oszilliert.



Jetzt haben wir Hunger und gehen durch einen Verbindungsgang vom Empfangsgebäude zum Hotel Pilatus Kulm. Dort befinden sich eine kleine Ausstellung zur Geschichte der Bahn und Seminarräume, in denen aufmerksame Menschen einem Vortrag lauschen. Wir essen eine Kleinigkeit und ich probiere ein mir neues Getränk, an das ich mich gewöhnen könnte.
Nun haben wir das Gefühl, alles gesehen zu haben und wenden uns der Talfahrt zu. Leider haben alle anderen hier oben offenbar die gleiche Idee, so dass wir uns in Nullkommanix in einer Menschentraube befinden, die sich in der nächsten halben Stunde nicht vom Fleck bewegt. Nach den letzten menschenfernen Tagen ist das eine harte Geduldsprobe. Wir betrachten es als Vorbereitungsübung für Berlin, vor dem es mir fast ein bisschen graut. Ich beobachte die Leute um uns rum und bin erstaunt, dass kaum jemand so aussieht, als hätte er heute etwas ganz besonderes erlebt: die Fahrt mit der Zahnradbahn, das Naturschauspiel hier oben – keine alltäglichen Dinge! Aber es sind eindeutig zu viele Menschen, die mit einem Automatismus durchgeschleust werden, der dem Ganzen etwas Seelenloses verleiht und keine Verzauberung zulässt. Insofern wäre es eindeutig ratsamer, den Fußweg zu nehmen.
Zurück in Luzern, nehmen wir den sonnigsten Weg zum Hotel, der möglich ist, denn ich bin ziemlich durchgefroren. Ein Harfenspieler am Ufer der Reuß erwärmt auch die Seele:
Nach einer Pause im Hotel gehen wir tibetisch essen und lernen dazu, dass ein Kräutertee auch mit geschäumter, salziger Yakbutter zubereitet werden kann und sogar schmeckt! Für den Nachhauseweg wählen wir noch unbekannte Wege. Als wir kurz stehenbleiben, um zu schauen, ob wir nach rechts oder links müssen, fragt uns ein freundlicher Mann, ob er uns helfen kann. Wir danken verneinend mit der Erklärung, dass wir aber tatsächlich was suchen, nämlich Straßen, die wir noch nicht entlanggelaufen sind. Er sagt: „Respekt!“ und wünscht uns einen schönen Abend. Das wird er, denn wir sehen erstmals Luzern im Dunkeln, was ja auch immer einen Zauber in sich birgt.


Morgen gehen wir auf den Wochenmarkt, schauen uns den Gletschergarten an, der ziemlich spektakulär sein soll, besuchen das empfohlene Naturhistorische Museum und machen eine Stadtrundfahrt mit der Bimmelbahn.
Die Stichwörter des Tages für die KI-Geschichte: Webseite, Programmiersprache, Aktualität, Nachrichten, Barfußschuhe, Zahnradbahnbau-Versicherung, Ratten, Museum, Gletscher
Samstag, 17.05.2025 (Kulturtag)
Wecker ignorieren kann ich gut, das führe ich heute morgen dem gesamten Hotel glaubhaft vor. Vermutlich sind nun alle wach, nur ich nicht. Es ist 8:40 Uhr, als ich die Augen aufklappe und realistisch einschätzen muss, dass ich um 9 Uhr noch nicht vorzeigbar sein werde für das Frühstück. Ich schreibe Georg eine Nachricht und mache mich im Bad relativ erfolglos ans Verschönerungswerk. Um 9:30 Uhr sitzen wir im Frühstücksraum, der heute erstaunlich voll ist. Etwas lustlos bediene ich mich am Buffet und überlege, was ich denn eigentlich vermisse. Es ist alles Nötige vorhanden, aber jeden Tag dasselbe, ich könnte mich blind bedienen. Doch ich will nicht meckern. Als es auf 10 Uhr zugeht, merken wir, dass die Servicekräfte unruhig werden, sie wollen abräumen. Wir gehen hoch, um uns fertig zu machen für den letzten Tag in Luzern, doch bei Georg wird gerade geputzt. Ich gebe ihm Asyl, bis er sein Zimmer wieder betreten kann.
Schicksalsspruch des Tages: „Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.“
Heute ist Markttag und wir wollen Ausschau halten nach ein paar Mitbringseln. Wie schon letzte Woche sind wir überwältigt von der Farbenpracht und den verschiedenen Düften. Riesige Käselaibe, Kuchen und Brot, Seifen, Pflanzen für Balkon und Garten locken Kauflustige an. Ich entscheide mich für einen traditionellen Lebkuchen, den man hier ganzjährig isst, Georg hat seinen Fokus auf die Pflanzen gerichtet. Er will etwas für seinen Balkon mitnehmen, das ihn an die Schweiz erinnert und pflegeleicht ist. Die Wahl fällt auf eine Prachtkerze Gambit Rose, die unkompliziert ist, Sonne mag und ganzjährig blüht. Ich nehme mir auch eine mit – die Idee einer Pflanze als Andenken finde ich sympathisch.

Bepackt mit unseren Schätzen, gehen wir zur Haltestelle der Bimmelbahn, um bei einer kleinen Stadtrundfahrt zu überprüfen, ob wir tatsächlich alles Wichtige in Luzern gesehen haben. Doch wie wir auch vorher schon festgestellt haben – die Stadt ist plötzlich total voll mit Touristen. Das war letzte Woche noch nicht so. Als ob jemand den Schalter umgelegt hat zur Hauptsaison. Wir haben keine Chance, in den kleinen Zug zu kommen und beschließen, das Unterfangen nicht weiter zu verfolgen. Es kann gar nicht mehr so viel geben, was von uns noch nicht entdeckt wurde. Wir bringen unsere Einkäufe ins Hotel und machen uns mit erweitertem Radius auf den Weg zum Gletschergarten, um Stadtviertel abzugrasen, die uns bisher entgangen waren. Das ist gar nicht so einfach, an vielen Ecken stellen wir fest, dass wir schon wieder auf bekanntem Terrain stehen. Man kann sich hier wirklich nicht verlaufen. Ein Aldi am Wegesrand weckt unser Interesse – wie mag wohl ein Schweizer Aldi von innen aussehen? Sehr sauber, ordentlich, mit breiten Gängen und einem vielfältigeren Angebot. Auf unserem weiteren Weg kommen wir an einem Restaurant vorbei, wo offensichtlich eine private Feier stattfindet, für die zwei Alphornbläser engagiert wurden. Sie beginnen in dem Moment unseres Erscheinens ihre Darbietung und ich stelle mich einfach verzückt lauschend mit dazu, was Georg, glaube ich, ein bisschen peinlich ist.
Ganz zufällig entdecken wir an der Museggmauer einen sehr schönen, terrassenförmig angelegten Biodiversitätsgarten und einen Hofladen. Familien und Spaziergänger genießen sichtlich den freien Tag und die Sonne.
Kurz darauf sind wir am Ziel und betreten das Areal des Gletschergartens, ein Park mit Museum. Er bietet eine beeindruckende Zeitreise durch die Erdgeschichte. Er entstand durch einen glücklichen Zufallsfund im Jahr 1872. Josef Wilhelm Amrein-Troller wollte eigentlich einen Weinkeller bauen, als er bei den Aushubarbeiten auf Gletschertöpfe stieß. Diese beeindruckenden geologischen Formationen sind Überreste der letzten Eiszeit, die vor etwa 20.000 Jahren die Region Luzern unter einer dicken Eisschicht begrub. Doch die Geschichte reicht noch weiter zurück: Vor 20 Millionen Jahren war Luzern ein subtropischer Meeresstrand, was durch versteinerte Muscheln und Palmblätter belegt wird. Statt eines Weinkellers eröffnete Amrein-Troller am 1. Mai 1873 den Gletschergarten als Museum. Im Zeitraffer kann man erleben, wie das Gebirge entstanden ist, die Auswirkungen der Eiszeiten, die Bildung von Flüssen und Seen bis zur heutigen Zeit und tausende Jahre darüber hinaus in die Zukunft bis zum großen Knall. Zack Bum und alles ist dunkel. Aus die Maus, die Erde war einmal.
Eine besondere Attraktion ist die Felsenwelt, die einen Einblick in die geologische Geschichte der Region gibt. Man taucht ab in den Felsen hinein, wo es nass, kalt und dunkel ist. Aus allen Ecken kommen Urzeitgeräusche wie Wasserrauschen und Gebrüll wilder Tiere. Eine Projektion an einem Felsen gibt den wichtigsten davon eine Bühne.
Auf dem Boden sind hin und wieder erläuternde Texte zu lesen:
Sehr beeindruckend ist auch der See mit Strudel. Ich stelle mir vor, dass ich darin schwimmen müsste – gruselig!
Besonders fasziniert hat mich das Spiegellabyrinth Alhambra, das mit 90 Spiegeln für eine unterhaltsame Herausforderung sorgt. Beim Durchqueren begegnet man sich immer wieder selbst in vielfacher Kopie. Man braucht eine Weile, sich durchzunavigieren, ohne in sein eigenes Spiegelbild zu rennen. Ich habe versucht, das im Video festzuhalten:
Der Park ist wildromantisch angelegt mit Wasserfall, kleinem See, Aussichtsturm mit Blick über die Stadt, verwinkelten Wegen und Treppchen. Überall gibt es was zu entdecken: Alpenpflanzen, Versteinerungen, Hinweistafeln und ein Diorama:
Als wir denken, wir wären durch mit den verschiedenen Stationen, entdecken wir noch ein wunderschönes Holzhaus im Schweizer Stil. Direkt daneben gibt es eine Ausstellung „Vom Mythos zur modernen Baukultur“, in der es um Schweizer Chalets geht. Man sieht viele Modelle und erfährt viel Neues über diese traditionelle Bauweise und auch Tipps zu Büchern, in deren Handlung Chalets eine Rolle spielen:
In das Holzhaus kann man auch hineingehen. Es gehörte den Gründern des Gletschergartens. Jedes Detail, egal, ob Treppen, Decke, Wände, Fenster oder Inneneinrichtung ist beachtenswert, hinzu kommen Iinformationen zur Luzerner Geschichte inklusive Stadtmodell.
Wir verbringen hier viel Zeit, weil alles so interessant und Georg meint anschließend, dass er jetzt erst einmal ausreichend Wissen zur regionalen Geschichte vermittelt bekommen hat. Noch ein Museum (was wir ja eigentlich vorhatten), wäre zu viel Input. Ich gebe ihm recht. Wir legen eine Pause ein im Café vor Ort bei Kaffee, Jodlertee und vorzüglichem Zwetschgenkuchen. Am Ausgang des Gartens gibt es zur Belustigung der Besucher ein paar konkave und konvexe Spiegel. Ich überlege, mir letzteren ins Bad zu hängen:
Georg hat inzwischen tatsächlich noch eine Sehenswürdigkeit gefunden, die uns bisher entgangen war – den Dreilinden- oder auch Konsi-Park hoch oben über der Stadt. Dafür bin ich ihm sehr dankbar, denn da hätten wir tatsächlich etwas verpasst. Um dort hin zu gelangen, müssen wir den Hexenstieg hoch, eine Treppe mit sehr, sehr vielen Stufen, von denen Georg immer lässig zwei auf einmal nimmt und oben gähnend auf mich wartet, während ich so tue, als würde ich pausenlos Dinge entdecken, für die es sich stehenzubleiben lohnt. Dann eine ansteigende Straße und wieder eine Treppe, bis der Park in Sicht kommt. Es ist der größte öffentliche Park in Luzern mit einer Fläche von 35’000 Quadratmetern und bietet eine beeindruckende Aussicht auf den Vierwaldstättersee und das Bergpanorama.
Die Anlage umfasst die schlossähnliche Villa Vicovaro, ein Ökonomiegebäude, ein Pförtnerhaus, eine künstliche Tor-Ruine, verschiedene Marmorskulpturen und eine Grotte. Sofort fallen mir die sehr alten, gigantisch großen Bäume auf:
Wir drehen unsere Runden und genießen die entspannte Atmosphäre. Aus dem Schlösschen erklingt Musik eines Orchesters, das dort probt. Unter einem Baum sitzt ein Pärchen, weiter hinten wird gegrillt bei leiser, chilliger Musik, auf einer Wiese wird eine Gruppe in TaiChi angeleitet und vor dem Schlösschen sitzt eine junge Frau im Gras und malt an einer Staffelei das Panaroma in der Ferne.
Wir genießen dieses friedliche Miteinander und den Blick auf die Berge, die uns in der vergangenen Woche herausgefordert, aber auch ein Stückchen Heimat waren. Ein bisschen Wehmut macht sich breit, aber diese schöne Landschaft ist auf meiner Netzhaut gespeichert. Manchmal habe ich, wenn ich von meinem Balkon aus in die Ferne schaue und sich dort eine Wolkenfront zeigt, die Illusion, das wären schneebedeckte Berge. Mittlerweile ist es später Nachmittag und wir wenden uns wieder der Stadt zu auf ebenfalls noch nicht begangenen Wegen. Diese führen uns runter in den Hafen zur Uferpromenade, wo wir uns ein Restaurant zum Abendessen suchen. Kleine Zweier-Tischchen unter Platanen wecken unsere Aufmerksamkeit und wir machen dort kurzentschlossen Halt.
Ein Schild weist auf Selbstbedienung hin. Die Speisekarte ist schnell studiert, Getränke gewählt und ich gehe hinein ins Restaurant, um zu bestellen. Die Kellnerin weist mich darauf hin, dass die Tische, wo wir sitzen, nur zum Verzehr von Getränken in Selbstbedienung gedacht sind. Wer etwas essen möchte, muss im Garten Platz nehmen. „Kein Problem“, sage ich, „dann ziehen wir um. Das wussten wir nicht.“ „Naja, wenn Sie sich das Essen selbst holen, können Sie auch dort sitzen bleiben!“ Ich bedanke mich, biete aber nochmal an, den Tisch zu wechseln. „Sie können auch dort bleiben. Aber bedient werden Sie dort nicht. Das muss Ihnen klar sein.“ Ok, ich habs verstanden. Sie nimmt die Bestellung auf. „Bar oder Karte?“ „Karte.“ Die Summe wird in das Gerät eingetippt, sie legt es mir hin und geht weg. Ich vollende den Bezahlvorgang und habe aus jetzt nicht mehr nachvollziehbaren Gründen das Gefühl, dass etwas nicht geklappt hat und wende mich hilfesuchend an eine Kollegin. Diese startet den Bezahlvorgang nochmal und wieder sieht das so komisch aus auf dem Display. Plötzlich wird mir klar, dass ich jetzt zweimal bezahlt habe. Oh je, wie peinlich! Die Chefin kommt zurück, ich beichte, sie schnauzt ihre Kollegin an, wieso sie mich nochmal bezahlen lassen hat. Ich werfe ein: „Das ist meine Schuld! Ihre Kollegin kann da nichts dazu!“ Zähneknirschend bucht sie eine Zahlung zurück und ich ziehe mit eingezogenem Kopf und dem Tablet von dannen. Jetzt nur nicht stolpern! Dann hätte ich es vermutlich völlig vergeigt. Dieses Mal ist das Verhältnis der Portionen umgekehrt, aber beide Teller durch zwei geteilt machen uns auf jeden Fall satt.



Nun laufen wir ein letztes Mal den Uferweg entlang, bestaunen die herrschaftlichen Hotels und überlegen, wieviel dort wohl eine Übernachtung kostet. Die Recherche ergibt: ca. 250 Franken. Wir sind bemüht, die letzte Strecke zu unserem Hotel in weitem Bogen zurückzulegen. erstens müssen wir abwandern, zweitens kennt unser Entdeckerdrang keine Grenzen. Es ist ungefähr 20 Uhr, als wir das Hotel betreten. Immerhin sind wir heute 7 km gelaufen, besser als nichts.
Die Stichwörter des Tages für die KI-Geschichte: Sitzwinkelneigung, Zimmerservice, Mindestlohn, ESC, Deutsche Bahn, Verkehrsberuhigung, packen, Saison, Touristen, Gletscher
Sonntag, 18.05.2025 (Luzern – Berlin)
Schicksalspruch des Tages: „Das Ende des einen ist der Anfang von etwas anderem.“
Einen passenderen Slogan hätte die App für uns gar nicht finden können. Die Berge enden, das Flachland fängt an. Der Urlaub endet, der Arbeitsalltag fängt an. Das Auspowern endet, das zu viele Sitzen fängt an. Ich suche noch nach einer positiven Deutung.
Nun sitzen wir zwei Stunden früher in der Bahn, denn wir haben ja – weil unser ursprünglich gebuchter Zug angeblich ausfällt (tut er übrigens nicht) – freie Zugwahl. Alles läuft wie am Schnürchen, keine Verspätung, wir scheinen pünktlich in Berlin anzukommen. Das ist richtig langweilig! Ich kann den vielen DB-Storys keine neue hinzufügen. Schon die Hinfahrt verlief ja reibungslos. Aber das macht auch Hoffnung.
Zusammenfassung
Unsere Wanderung war landschaftlich eine der schönsten, die ich bisher absolviert habe. So viel Blau, bunte Bergwiesen, glänzende Kühe, schneebedeckte Berge, fantastische Ausblicke hat man selten. Die Menschen hier sind mir sehr sympathisch. Ihre Freundlichkeit, Gelassenheit, Hilfsbereitschaft, Ausgeglichenheit machen das Miteinander leichter. Es geht meistens sehr leise zu, selbst in einer Stadt wie Luzern. Autolärm gibt es nur in den Umgehungs- und Ausfallstraßen. Verlässt man diese, wird es schlagartig still und man verfällt automatisch ins Flüstern. Nur einmal habe ich ein Auto hupen hören. Das öffentliche Leben inklusive Verkehr verläuft reibungslos. Ich habe mal recherchiert, welche Meinung die Schweizer von den Deutschen haben:
Respekt für deutsche Tugenden: Viele Schweizer schätzen die deutsche Pünktlichkeit, Disziplin und Arbeitsmoral. Diese Eigenschaften werden oft als positiv angesehen, insbesondere in wirtschaftlichen und beruflichen Kontexten.
Direkte Kommunikation: Deutsche sind bekannt für ihre klare und direkte Ausdrucksweise, was in der Schweiz manchmal als zu unhöflich oder zu wenig diplomatisch empfunden wird. Schweizer bevorzugen oft eine zurückhaltendere und indirektere Art der Kommunikation. So würde ein Deutscher sagen: „Hey, heb mal deinen Müll auf!“ Ein Schweizer: „Entschuldigung, Sie haben das was verloren!“
Lautstärke und Auftreten: Deutsche werden manchmal als lauter und dominanter wahrgenommen, insbesondere in sozialen Situationen. Schweizer empfinden dies gelegentlich als aufdringlich.
Wirtschaftliche Konkurrenz: Aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung zwischen Deutschland und der Schweiz gibt es auch eine gewisse Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. Deutsche Fachkräfte sind gefragt, aber manche Schweizer sehen sie auch als starke Mitbewerber.
Kulturelle Unterschiede: Während es viele Gemeinsamkeiten gibt, gibt es auch Unterschiede in Humor, Lebensstil und gesellschaftlichen Normen. Deutsche gelten oft als pragmatischer, während Schweizer mehr Wert auf Traditionen und regionale Eigenheiten legen.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei Eurotrek bedanken für die Organisation. Es hat alles prima funktioniert. Eine kleine Kritik sei erlaubt: Die letzte Wanderetappe hätte in Küssnacht mit einer dortigen Übernachtung enden können. Das wäre viel besser gewesen, denn wir standen von Rigi Kaltbad dorthin unter enormem Zeitdruck, weil wir in Küssnacht die letzte Fähre um 13 Uhr erreichen mussten. Gerne wären wir dorthin komplett gewandert, statt aus Zeitgründen die Seilbahn zu nehmen. Am Folgetag hätten wir von Küssnacht bis Luzern nochmal laufen können. Dadurch wäre die Sache rund gewesen.
Könnte ich in der Schweiz leben? NEIN! Warum? Es gibt dort keine Lakritze, noch nicht mal Haribo!
Der Urlaub in einem Satz: Georg: „Schön!“ | Ich: „Nochmal!“
Der Aufsatz der KI unter Verwendung aller Stichwörter:
Eine Reise zwischen Politik, Liebe und kleinen Abenteuern
David und Nina beginnen ihren Tag in Wolfsburg, als sie beim Frühstück in hektischen E‑Mails einen wichtigen PDF-Anhang entdecken, in dem von den aktuellen Transformationen in der Arbeitswelt berichtet wird. Inmitten schreiender Kinder vor dem Fenster eines nahegelegenen Plattenbaus diskutieren sie angeregt über Themen wie Political Correctness, Toleranz und den Einfluss der AfD. Während sie sich über Fragen zu Bürgergeld, Arbeitslosigkeit und Fachkräftemangel austauschen, erinnert sie auch der stets präsent gehaltene Gedanke an Pünktlichkeit, der in der einen Minute noch als Verspätung an der Deutschen Bahn spürbar wird.
Auf dem Weg zum Bahnhof fällt ihr Blick auf einen unscheinbaren Plattenbau, dessen altes Türschloss im schummrigen Licht fast geheimnisvoll wirkt. Ein knapper Moment, in dem beides – die eigenwillige ADHS-Mentalität beider – durchschimmert, während sie ihre Koffer packen und sich auf die Zugreise in die Schweiz vorbereiten. In Luzern angekommen, bewundern sie neben frisch gereifter Schokolade auch einen kunstvoll an der Wand befestigten Haken, der an längst vergangene Zeiten erinnert. In einem nahegelegenen Boutique-Showroom begegnen sie sogar einem extravaganten Modeberater, der sich – ganz im Stil von Harald Glööckler und Pierre M. Krause – in auffällig bunten Outfits zeigt und bei dem das Gefühl einer scheinbar großen Liebe beinahe greifbar scheint.
Mit zahlreichen Bildern im Kopf spaziert David über den Wochenmarkt, während er sich über Phantom-Haare am Morgen lächelt, die ihm wie kleine Spukgestalten vorkommen. Ein starker Schluck Kaffee, vollgepackt mit Koffein, belebt seinen Kreislauf und gibt ihm die nötige Energie, um das ausgeprägte Mitteilungsbedürfnis und die manchmal auch verwirrende Aufmerksamkeits-Varianz seiner Tagesplanung in den Griff zu bekommen. Beide sind so in ihr Gespräch vertieft, dass sie kaum bemerken, wie die Diskussion plötzlich in Fragen der Religionsfreiheit übergeht und Erinnerungen an einen langen, schmerzlichen Krieg sowie an die heutige Grundrechtskonkordanz geweckt werden.
Als sie an einer Baustelle vorbeigehen, auf der eine Hebebühne schwerfällig einen Kranarm bewegt, entdecken sie gleichzeitig ein kurioses Treetboot, das gemächlich über einen kleinen Teich gleitet. Kurz darauf nehmen sie sich Zeit für eine ehrwürdige Grabpflege auf einem alten Friedhof, wo Statuen einst vergessener Götter stehen und in denen Auszüge aus Brechts Dramen eingraviert sind. In einem nahe gelegenen kleinen Restaurant bestellen sie ein Gericht mit zarten Aalen, während Tauben und Krähen in der Dämmerung ihr Konzert anstimmen.
Im Café am Marktplatz entbrennt eine lebhafte Debatte über die aktuelle politische Lage – Namen wie Habeck, Merz, Baerbock und Gysi werden in den Gesprächen angeführt, und trotz der immer wieder präsenten Forderung nach Pünktlichkeit ist der alltägliche Stress nicht von der Hand zu weisen. Dabei denken sie an den bevorstehenden Muttertag, während im Hintergrund die majestätischen Klänge von Wagner und Bruckner erklingen, die an eine monumentale Wand gemalt sind. Unvermittelt ertönt ergänzend die Stimme von Dieter Bohlen und Thomas Anders, was der Szenerie einen Hauch von nordischem Sozialismus verleiht.
Im lebhaften Stadtteil schlendern sie weiter, während Nina eifrig Sonnencreme aufträgt und beide fasziniert Schilder lesen, auf denen in den verschiedensten Dialekten Informationen stehen. In einem humorvollen Moment zeigt David, mit dem typischen ADHS-Impuls, sein Interesse an der Partnersuche – sehr zur Belustigung beider –, während sie gleichzeitig über Kindererziehung und die unvermeidlichen Folgen eines intensiven Wandertages, wie Muskelkater, plaudern. Auf einem Weg, übersät mit wuchernder Zahnwurz, erblickt er eine Plakette, die einen plüschigen Bären zeigt, und Nina erinnert sich an den sauren Geschmack von Sauerklee. Ein kleiner Garten enthüllt zudem seltene Himmelsschlüsselchen, die zwischen alten Spalten im Mauerwerk hausen und mit überraschten Händen behutsam mit frischem Fensterkitt repariert werden. In der Ferne klingen Kuhglocken, und in diesem Moment durchströmt sie eine tiefe Gelassenheit, die sie zu Dehnungsübungen anregt, während im sanften Regen die Straßen glänzen.
Doch der Regen bringt auch kleine Irritationen mit sich: Bei einigen Tropfen erlebt David kurzzeitig Wahrnehmungsstörungen, und über sein plötzlich entdecktes Doppelkinn muss er schmunzeln – ein Scherz, der an eine kürzliche Schönheits-OP anknüpft, über die sie ausgelassen lachen. Während sie weiterflanieren, wächst in ihrem Gespräch auch das Interesse an Themen wie Suchmaschinenoptimierung, und Nina zeigt ihm begeistert ihre neu erworbenen Handyhüllen. Kurz darauf schalten sie in einem kleinen Laden einen Beamer ein, um eine Präsentation zu verfolgen, während David prüfend sein Portemonnaie durchblättert, denn sie planen vorab einen Besuch an einem geheimnisvollen Kraftort.
An diesem besonderen Ort, der ihnen wie ein moderner Schrein erscheint, lauscht David den Worten eines Vortrags von Benjamin Stuckrad-Barre, in dem auf kunstvoll dargestellte Landschaftssituationen und das pure „re nature“ hingewiesen wird. Dabei schweifen seine Gedanken ab – er erinnert sich an Berichte über Afghanistan, an Berichte über die Taliban – und in einem Gespräch mit einem begeisterten Raumplaner erfährt er von dem Jakobsweg, den Mythen, die diese Pilgerroute umgeben, und von einer veränderten Außenweltwahrnehmung. Noch entspannter fühlen sie sich, als ihnen empfohlen wird, nach einem Termin bei der Osteopathie ihre angespannten Vagusnerven zu massieren, und sie zollen zugleich den Gründevätern Tribut, indem sie in einem alten Park an einem üppigen Farn verweilen. Ein kurzer Blick in ein Horoskop von Ingeborg, das sie zufällig in einem Esoterik-Raum finden, weckt Kindheitserinnerungen an den Struwwelpeter, und plötzlich stimmen sie in ein fröhliches Singen ein, das ihre Vitalfunktionen und Herzfrequenz in ungeahnter Weise belebt. Dabei schwingt der Gedanke an die schweizerische Mentalität mit, die sie als Inbegriff der Gelassenheit empfinden, und sie beginnen, sogar der Namensforschung vergangener Zeiten nachzuspüren.
Der Nachmittag führt sie weiter in ein kleines Finanzbüro, wo sie bei einer kuriosen Beratung auf Diskussionen über Wertpapiere, Zinsen, Fonds, Steuern und selbst Kirchensteuer stoßen – und dort wird beiläufig ein Zitat von Verdi zitiert, das sie schmunzelnd aufnehmen. Anschließend steigen sie in die Schweizer Bahn, die sie auf eine nostalgische Reise erinnert, wie sie manchmal bei einem alten Klassentreffen erlebt haben, wo sie manchmal einfach ins Zoning Out geraten, während ihre ausgeprägte Detailverliebtheit und eine subtile Kommunikationsinterpretation sie auf der bevorzugten Webseite über die neuesten Programmiersprachen und die Aktualität der Nachrichten informiert. Beim Schlendern über einen Markt stößt Nina auf ein Paar Barfußschuhe, und David entdeckt eine Flyeranzeige zur Zahnradbahnbau-Versicherung, in der sogar Ratten als seltene Inspektionsteilnehmer eines Museums zum Gletscher vorgestellt werden. Dabei passt er noch kurz seine Sitzwinkelneigung im bequemen Zugabteil an und reserviert in seinem Hotel den Zimmerservice, um nach einem langen Tag, an dem auch der Mindestlohn bei einem Beitrag zum ESC diskutiert wurde, noch einmal eine Fahrt mit der Deutschen Bahn zu genießen.
Schließlich, als der Abend sich dem Ende zuneigt, genießen sie die Ruhe in einer von Verkehrsberuhigung geprägten Seitenstraße, in der sie gemeinsam ihre Rucksäcke packen – bereit für die nächste Saison, in der Touristen neue Abenteuer erwarten. Mit einem letzten Blick auf die Erlebnisse des Tages, in denen sich Politik, Liebe, skurrile Begegnungen und kleine Alltagswunder vermischen, treten sie in die Nacht hinaus, wissend, dass sie gemeinsam jede unerwartete Wendung meistern.
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Sogar eine englische Version hat sie geschrieben:
David wakes up to a nesting box of E‑Mails complete with a mysterious PDF attachment announcing the latest Transformationen in der Arbeitswelt. As he fumbles for his glasses, the constant racket of schreiende Kinder outside his window—echoing from a nearby Plattenbau in Wolfsburg—sets the perfect stage for a day that’s equal parts chaotic and comical. Amid debates about Political Correctness, Toleranz, and even a jab at the AfD, David and his ever-adventurous partner Nina wonder if their own punctuality (Pünktlichkeit) will hold up or if the looming Verspätung of the Deutsche Bahn will have them paying Bürgergeld later to cover potential Arbeitslosigkeit due to the Fachkräftemangel.
Strutting out with a spring in his step (and a not-so-springy Türschloss that squeaks like a grouchy alarm), David—whose ADHS makes every idea an adventure—and Nina board a train destined for the Schweiz. Their first stop? Luzern, where the allure of Schokolade is only rivaled by the sight of a quirky Haken an der Wand signed by none other than Harald Glööckler and Pierre M. Krause, as if hinting at a secret “scheinbar große Liebe” between avant‑garde couture and everyday absurdity.
With hilarious images (Bilder im Kopf) and mischievous Phantom-Haare that seem to frolic above their heads, they hit the Wochenmarkt. Overwhelmed by an overflow of Koffein that jolt their Kreislauf into hyperdrive, they banter nonstop—each comment fired off with a bursting Mitteilungsbedürfnis and a splash of Aufmerksamkeits-Varianz that completely derails any sensible Tagesplanung. Suddenly, conversations shift to lofty topics like Religionsfreiheit, the absurdity of Krieg, and even the mysterious Grundrechtskonkordanz of modern life—all while a rickety Hebebühne hoists a shabby Treetboot in the background, as if staging its own mini Grabpflege for long-forgotten Götter that Brecht might once have mocked.
Between bites of strange Aale and the intermittent caws of Tauben and Krähen, their day becomes a running commentary on contemporary politics. Names like Habeck, Merz, Baerbock, and Gysi bounce around as frequently as the renewed crisis of Pünktlichkeit in the midst of Stress—just in time to remind them that Muttertag is lurking around the corner. When the strains of Wagner and Bruckner fill the air near a dented Wand adorned with portraits of Haushofer and Arno Schmidt, the radio surprisingly switches to tunes by Dieter Bohlen and Thomas Anders—an unexpected salute to a sort of nordischer Sozialismus that makes even the most mundane moment sparkle with satirical irony.
Not to be outdone by fate’s quirky sense of humor, Nina dabs on a generous layer of Sonnencreme before they start Schilder lesen in every Dialekt imaginable. David’s notoriously impulsive ADHS now extends into a full-blown Partnersuche discussion, where they debate the intricacies of Kindererziehung while nursing the inevitable Muskelkater from yesterday’s escapades. On a side street, a sprouting Zahnwurz and a gang of not-so-ferocious Bären share space with a patch of Sauerklee, while delicate Himmelsschlüsselchen cling to a crumbling brick wall—soon patched up with some leftover Fensterkitt while the distant chime of Kuhglocken summons a wave of Gelassenheit and even inspires a few spontaneous Dehnungsübungen in the drizzle of Regen. (David even wonders if his sporadic Wahrnehmungsstörungen are just his Doppelkinn reminding him of his recent Schönheits-OP!)
As they continue, the duo finds themselves chuckling over the latest trends in Suchmaschinenoptimierung while Nina admires quirky Handyhüllen on display. A flashing Beamer advert then projects an impromptu commercial for a secret Kraftort—one so enigmatic that even Benjamin Stuckrad-Barre would appreciate its bizarre Landschaftssituationen in the spirit of pure re nature. In a twist that rivals Afghanistan’s wilder headlines or a Taliban misadventure (in a far-fetched alternate universe, of course), they bump into a wily Raumplaner on the Jakobsweg who spins ludicrous Mythen about Außenweltwahrnehmung and insists that a good session of Osteopathie, particularly massaging the Vagusnerv, is the key to channeling the wisdom of the Gründeväter… all while admiring an odd little Farn under a quirky Horoskop read by Ingeborg, the resident Esoterik guru. As if summoned by fate, the irreverent Struwwelpeter begins playing in the background, prompting an impromptu Singen that sends their Vitalfunktionen and Herzfrequenz soaring—in true Schweitzer Mentalität fashion—and nudges them into an impassioned debate about Namensforschung.
Their journey then takes a detour into the world of finance: a quick chat about Wertpapiere, Zinsen, Fonds, Steuern, and even Kirchensteuer (naturally, punctuated with a wry nod to Verdi’s operatic flair) occurs just before they hop on the Schweizer Bahn, fresh from a surprise Klassentreffen where everyone was happily Zoning Out amid displays of utter Detailverliebtheit and offbeat Kommunikationsinterpretation discovered on an archaic Webseite built with a forgotten Programmiersprache. In the latest Aktualität of Nachrichten, they find themselves impulse-buying a pair of vintage Barfußschuhe right next to a bizarre ad for a Zahnradbahnbau-Versicherung sponsored by Ratten in a local Museum boasting a miniature Gletscher and an instructional display on the perfect Sitzwinkelneigung for optimal Zimmerservice in an era of Mindestlohn debates at the ESC—all while riding another chaotic train of the Deutsche Bahn through zones of Verkehrsberuhigung.
By day’s end, after a mad scramble of packen and a hasty change of Saison that leaves them trailing behind a gaggle of goofy Touristen, David and Nina collapse into fits of laughter. Their riotous misadventure—a day where every bizarre twist and contrarian acronym transformed into a punchline—reaffirms that life, in all its chaotic splendor, is best navigated with humor.
And so, amid the absurdity of E‑Mails and PDFs, Schreiende Kinder and Plattenbauten, veritable debates on Political Correctness and Toleranz, and the accidental intermingling of everything from ADHS-induced Partnersuche to dubious discussions of nordischer Sozialismus while applying Sonnencreme—the tale of David and Nina reminds us that every tiny detail (from phantom hair to Kuhglocken) is just another hilarious letter in life’s unending, wonderfully nonsensical PDF.












































































































































































































































